Tourstart in Gelsenkirchen Rammstein spielen mit dem Feuer

Bescheidenheit ist nicht ihre Stärke: Die Berliner Brachial-Rocker sind am Montag in ihre erste Stadion-Tournee gestartet. Sie ist größer, lauter und greller als alles, was die Band bisher geboten hat.

Rammstein: wie eine Band provoziert
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Rammstein: wie eine Band provoziert

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Foto: dpa/Axel Heimken

„Rammstein – ein Flammenmeer“ – Das Stadion auf Schalke vibriert, als Sänger Till Lindemann die Liedzeile aus dem Jahr 1995 ins Mikrofon knurrt. Gleichzeitig steigen Flammen an 20 verschiedenen Punkten empor: auf der Bühne, aber auch auf den Lautsprechertürmen im Publikum. Die Fans grölen mit und wissen vor Entzückung kaum, wohin sie gucken sollen. Die Show erreicht nach mehr als zwei Stunden ihren Höhepunkt.

Auf Schalke in Gelsenkirchen hat die Band rund um Sänger Till Lindemann die erste Stadiontour ihrer Bandgeschichte gestartet. Das erste von zwei Konzerten in der Veltins-Arena gaben sie am Montag. Bis Ende August folgen unter anderem Auftritte in Barcelona, Wien, Moskau, Prag und Stockholm. Die meisten Stadionkonzerte waren viel zu schnell ausverkauft. Für ihre Tour haben Rammstein eine gigantische Bühne entworfen, die an eine Mischung aus Game of Thrones, Star Wars und eine merkwürdig futuristische, aber dennoch rückständige Diktatur erinnert. Dieses Meisterwerk der Technik wird durch die Lautsprechertürme nicht nur akustisch verlängert, sondern durch die daran befestigten Spezialeffekte auch optisch. Die Band hat die gigantische Bühne mehrere Wochen lang in einem Berliner Gewerbegebiet getestet. Auf Schalke steht die Feuertaufe an.

Mächtige Fanfaren vom Band kündigen die Musiker an, die vor wenigen Tagen erst ihr neuestes Album „Rammstein“ veröffentlicht haben. Mit einem Knall starten die sechs Hardrocker ins Konzert, das anfangs allerdings ein wenig dahinplätschert. Ein bisschen weißer und schwarzer Rauch, ein paar Lichteffekte, Lieder wie „Sex“ und „Links 2, 3, 4“ bringen das Publikum zwar auf eine gewisse Temperatur – was in dieser Aufwärmphase aber fehlt, sind Explosionen und Feuerspiele, die aus einem musikalischen Ereignis ein unvergessliches Rammstein-Erlebnis machen.

Mag die Musik auch minimalistisch, teilweise stumpf wirken – die Bühnenshow ist eine komplizierte Komposition, eine epochale Sinfonie aus gewaltigen Lichteffekten, filigranen Videosequenzen und mächtig viel Wumms durch Pyrotechnik. Die statische Bühne verändert ihren Charakter von Lied zu Lied, wirkt mal wie eine mystische Waldlandschaft, mal wie aus einer postapokalyptischen Zeit – immer der Dramaturgie des Abends folgend, dem Höhepunkt entgegen.

So ein Konzert braucht frischen Input: Mit dem Album „Rammstein“ hat die Band nach Angaben des Marktforschungsinstituts „GfK Entertainment“ einen neuen Rekord aufgestellt. Innerhalb der ersten Woche wurden allein in Deutschland mehr als 260.000 Einheiten verkauft. „Das ist der erfolgreichste Start einer Band in diesem Jahrtausend“, teilt das Marktforschungsinstitut mit. Das Album eroberte auf Anhieb die Spitze der offiziellen deutschen Charts. Das liegt nicht zuletzt an der öffentlichkeitswirksamen Kampagne vor der Veröffentlichung: Die Band brachte zuvor die Singles „Radio” und „Deutschland” heraus, zeigte Videoschnipsel, in denen die Musiker in KZ-Kleidung an einem Galgen stehen. Der mediale Aufschrei war groß, die Aufmerksamkeit ebenfalls.

Titel aus dem neuen Album kann das Publikum auf Schalke bereits souverän mitsingen. Aber Rammstein wissen genau, was die Fans von ihnen neben atemberaubender Pyrotechnik sonst noch erwarten: die Klassiker. Während die Nacht über Gelsenkirchen hereinbricht, spielen die sechs Musiker „Du hast“. Der wabernde Bass drückt die Luft durch die Halle, der Boden bebt unter den tausenden hüpfenden Menschen. Mitten im Song schießt Sänger Lindemann Leuchtraketen ins Stadion, denen eine pyrotechnische Kettenreaktion folgt. Überall blitzt und donnert es, ein Raunen geht durch die Arena – und Lindemann beobacht die Szene mit einem Lächeln im Gesicht.

Eineinhalb Stunden stehen die Berliner Musiker bereits auf der Bühne, als sie sich verbeugen und verschwinden. Unruhe macht sich breit: Soll es das gewesen sein? Plötzlich ertönen zwei Flügel: Die Vorband, das Duo Jatekok, spielt das Lied „Engel“ auf einem Turm inmitten des Publikums. Um sie herum stehen Rammstein und singen den Song. Die Musiker lassen sich danach mit Booten durchs Publikum wieder auf die Hauptbühne tragen.

Immer wieder gelangen Requisiten in die Hände der Musiker, die angezündet, mit Flammenwerfern beschossen oder irgendwie anders zerstört werden. Alles Teil der großen Inszenierung. Die Interaktion mit dem Publikum beschränkt sich auf Aufforderungen oder vielmehr Befehle der Band, das Licht des Handys anzuschalten, mitzuklatschen oder den Refrain zu singen. Wer auf ein Rammstein-Konzert geht, möchte nicht interaktiv mitgestalten oder mit der Band ins Gespräch kommen. Er möchte ein perfekt inszeniertes Theaterstück mit ziemlich lauter Musik und ziemlich beeindruckenden Spezialeffekten. Nicht mehr, vor allem aber nicht weniger bietet die Band auf ihrer Stadiontour.

Nach deutlich mehr als zwei Stunden „Neue Deutsche Härte“, wie das Rammstein-Genre auch genannt wird, zünden in Gelsenkirchen die letzten Explosionsladungen des Abends, das Feuer erlischt für die nächsten Stunden. Das zweite Konzert in der Veltins-Arena steht am Dienstag an. Und es wird wieder ein Flammenmeer.

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