Gerichtsurteile Warum sich Plagiatsfälle im Pop häufen

Düsseldorf · Pharrell Williams war nur der Anfang: Nun wird auch Rihanna vorgeworfen, Ideen gestohlen zu haben.

 Popstar Rihanna bei einem Konzert

Popstar Rihanna bei einem Konzert

Foto: dpa, uw

Nun geht es also weiter, und getroffen hat es Rihanna. Der 27-jährigen Sängerin wird vorgeworfen, für ihre neue Single "Bitch Better Have My Money" unerlaubt aus fremdem Quellen geschöpft zu haben. Die Rapperin Just Brittany beschuldigt den Superstar oder doch zumindest deren Songschreiber, Elemente ihres bisher wenig bekannten Lieds "Betta Have My Money" abgekupfert zu haben. Im Fall des Rappers Bushido hat der Bundesgerichtshof gestern ein früheres Plagiatsurteil aufgehoben; es muss neu verhandelt werden.

Solche Fälle werden sich künftig häufen; noch öfter wird bei Hits geprüft werden, ob sich Spuren fremden Eigentums finden. Das Ergebnis der juristischen Auseinandersetzung über das Stück "Blurred Lines" von Pharrell Williams und Robin Thicke ist der Grund. Williams hatte im Interview gesagt, dass er ein Lied im Geiste Marvin Gayes komponieren wollte, als er den Sommerhit von 2013 schrieb. Er verehre Gaye, und das Stück sollte genau das Gefühl haben, das Gayes Song "Got To Give It Up" aus dem Jahr 1977 auszeichne. Gayes Tochter las das und verglich Original und Neuschöpfung. Und obwohl es sich trotz kleinerer Gemeinsamkeiten wie der Verwendung einer Kuhglocke um zwei völlig verschiedene Lieder handelt, bekam sie Recht: Williams/Thicke mussten 7,5 Millionen Dollar an die Gaye-Erbin zahlen. Das "Feeling" des Songs von Gaye finde sich in "Blurred Lines" wieder, hieß es im Urteil.

Es war das erste Mal, dass es nicht um nachweisbare Muster wie Tonfolgen oder Taktschemata ging, um etwas zu Errechnendes also, sondern um etwas Abstraktes wie das Gefühl, den Vibe der Musik. Im Grunde also um den Kern des Pop, der so schwer zu greifen ist. Einerseits ist es toll, dass die flüchtige Essenz der Melodien, die uns täglich um die Köpfe fliegen, von Juristen eingefangen werden soll. Andererseits müsste man Pop nun beenden, denn welcher Songwriter schöpft nicht aus dem Geist der Tradition? Die Strokes dürfte es dann nicht geben, weil sie das Prinzip Velvet Underground weiterführen, und Oasis nicht, weil deren Werk eine einzige Huldigung der Beatles ist.

Dem Chef von Oasis, Noel Gallagher, wird dieses Zitat zugeschrieben: "Was kann ich für die schönen alten Lieder in meinem Kopf?" Er nannte eines seiner Alben "Standing On The Shoulder Of Giants", und der Titel illustriert, was Liederschreiben im Jahr 2015 bedeutet: den Giganten auf die Schultern zu steigen und weiterzuführen, was sie einst mit "She Loves You" begonnen haben.

Nach 60 Jahren Popgeschichte ist das wahrhaft Neue selten geworden. "Unsconscious Plagiarism" hat es etwa Rod Stewart genannt, als man ihm 1979 nachwies, dass sich "Da Ya Think I'm Sexy?" ein bisschen so anhöre wie "Taj Mahal" von Jorge Ben. Ja, gab er zu, er kenne das Lied, die Gemeinsamkeiten verblüfften ihn. Aber er habe nichts bewusst übernommen, ehrlich nicht.

Man mag es ihm glauben, wobei das natürlich kein Freibrief sein soll für billige Kopien oder dreiste Diebstähle. Frech war ja zum Beispiel, wie der Rapper Vanilla Ice sich 1990 für seinen Hit "Ice Ice Baby" bei "Under Pressure" von Queen bediente. Wobei das Youtube-Video mit der Verteidigungsrede von Vanilla Ice schon wieder großartig ist: Er summt seinen Hit vor und auch den von Queen, und beide hören sich völlig gleich an. Dann sagt er: Sehen Sie, unterschiedliche Stücke!

Im aktuellen Fall steht nun weniger ein "Gefühl" zur Diskussion als vielmehr eine Idee, die zwei zur selben Zeit hatten. Rihanna und Just Brittany sampelten Zitate aus demselben Film, daraus ergibt sich auch die Gleichheit der Songtitel. Man wird sich wohl außergerichtlich einigen, wie so oft in ähnlichen Fällen. Der nächste Plagiats-Vorworf indes wird bald folgen.

"Betta Have My Money": Es geht immer auch um viel Geld.

(RP)
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