Album "The Endless River" Abschied von Pink Floyd

Düsseldorf · Eigenartiger Effekt: Wer das neue Album von Pink Floyd gehört hat, bekommt die alten Lieder dieser Band nicht mehr aus dem Kopf, obwohl man sie auf dieser Platte doch gar nicht findet. "The Endless River" ist derart vollgestopft mit Zitaten aus der großen Zeit, mit Reminiszenzen an die immer noch unfassbar schönen Stücke "Shine On You Crazy Diamond" und "Wish You Were Here", dass man den Tag summend verbringt: "Swimming in a fish bowl / Year after year". Unerwartet, aber nicht das Schlechteste.

 Das Cover zum Album "Endless River"

Das Cover zum Album "Endless River"

Foto: dpa, sab axs

Morgen erscheint sie also, die vor einigen Wochen überraschend angekündigte und seither sehnlichst erwartete letzte Platte einer der größten Bands der Rock-Geschichte. "The Endless River" ist eine 53 Minuten lange Reprise, nahezu ausschließlich instrumental, und sie läuft sehr angemessen und weise choreografiert auf den Schwanengesang zu: "Louder Than Words" ist das einzige echte Lied, jedenfalls im Sinne von Musik mit Gesang und Text. David Gilmour singt zunächst diese Zeilen: "We bitch and we fight / Diss each other on sight / But the thing we do / Is louder than words". Und als hätte man vor Wehmut und Seufz-Lust nicht bereits eine Gänsehaut, weil Gilmour damit natürlich seine Band meint und ihre wechselhafte Geschichte, die ja auch die des Hörers ist, schickt er ein Gitarrensolo hinterher, das so glockenhell und kristallklar ist, dass man damit Glas schneiden könnte.

Dieses Finale ist bewegend, zum Händefalten groß, es werden einem die Lippen schmal, und man könnte sogar sagen, der Rest des Albums ist lediglich seine Ouvertüre - und zwar eine qualitativ nicht immer befriedigende, zumindest nicht nach den Maßstäben dieser Band. Zwölf der 18 Stücke wurden von Keyboarder Rick Wright mitgeschrieben, diesem großen Melancholiker der Elektro-Orgel. Wright starb 2008, und seine Kompositionen sind gewissermaßen als Ausschuss der Sessions zum vorletzten Album liegengeblieben: "The Division Bell" aus dem Jahr 1994.

David Gilmour hatte damals Wright, der zwischenzeitlich nur noch als Angestellter zuarbeitete, als vollwertiges Bandmitglied zurückgeholt. Die beiden blühten im Zusammenspiel mit Schlagzeuger Nick Mason geradezu auf. Ohne den despotischen Egomanen Roger Waters, der nach dem Album "The Final Cut" - das zwar offiziell von Pink Floyd war, aber ehrlicherweise als Waters' erste Solo-LP gewertet werden muss - die Gruppe verlassen hatte. Nun führte Gilmour die Band durch die 80er Jahre, und er liebt nun mal Bombast, Opulenz und die Schönheit des Erhabenen. Herzensmann des High-Fidelity-Sounds, Schwelger im edlen Picking.

Ohne Waters, den Stalinisten des Rock, muss das Produzieren sehr angenehm gewesen sein. Gilmours Gitarre und Wrights Piano schäkerten auf "The Division Bell" miteinander, umschmeichelten sich. Ein bisschen so hört es sich auch 2014 noch an: Gilmour führt das zarte Zwiegespräch mit Wright fort, über den Tod hinaus, die Zeiten hinweg; seine Gitarre schreibt ihre Akkorde in den Wind, und als Antwort echot der Synthesizer von Wright aufs Herzlichste.

Man sieht schon, es geht etwas esoterisch zu, späte Pink Floyd halt, auf dem Cover rudert nicht umsonst ein junger Kerl über die Wolken in den Sonnenuntergang, und bei all der Wärme und Moll-Gemütlichkeit vermisst man den Wahnsinn jenes Manns, der irgendwann nicht mehr den Weg zurück vor die Mauer fand: Waters fehlt also doch, "The Endless River" ist nämlich arg nah am Kitsch gebaut. Wer das Gesamtwerk von Pink Floyd gut kennt, weil es ihn durchs Erwachsenwerden begleitet hat, Teil seiner Biografie ist, dürfte indes darüber hinwegsehen. Gilmour und Mason haben das alte Material mit wenigen Neueinspielungen so collagiert, dass jede Floyd-Ära der vergangenen 50 Jahre vorkommt - die psychedelische mit Syd Barrett, die klassische von "Dark Side Of The Moon", die vertrackte mit "The Wall" und natürlich und vor allem die hochglanzpolierte von "The Division Bell".

Man hört gerne zu, denn man freut sich, alles noch einmal zu erleben, in Gedanken und mit der Musik. Früher und heute kommen zueinander, alles da, und man selbst ist ja auch noch da, und zum Glück ist diese Band noch da, und zum allergrößten Glück fand das alles zur selben Zeit statt: das Leben und Pink Floyd. Morgen muss man dann sehen, wo man bleibt.

How I wish you were here.

(RP)
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