Europatournee Paul McCartney - Museumsdirektor des Pop

Düsseldorf (RP). Heute beginnt Paul McCartney seine Europa-Tournee, die ihn am 16. und 17. Dezember nach Köln führen wird. Für die Konzerte hat der 67-Jährige ein Potpourri aus Beatles-Songs zusammengestellt. Seine bemerkenswerten Aufnahmen der jüngsten Zeit spielt er leider nur selten.

 Paul McCartney darf endlich in Israel singen.

Paul McCartney darf endlich in Israel singen.

Foto: AP, AP

Paul McCartney wird unterschätzt. Das mag erstaunlich klingen bei einem Musiker, der als erfolgreichster und berühmtester Komponist der Popgeschichte gilt, als einer der reichsten ohnehin. Aber wenn man ehrlich ist, haben selbst die meisten Sympathisanten den 67-Jährigen als ewigen Beatle abgelegt, und ganz viele der weniger Wohlmeinenden sogar als Kitsch-Beatle — wegen "Yesterday", "The Long And Winding Road" und so. Nach 1970, so ist die gängige Meinung, gelang ihm nichts, das annähernd so hell strahlt wie die Kronjuwelen aus dem Schatz der Beatles-Songs. Höchstens mal ein mit weit aufgerissenen Augen gesungenes Lala-Liedchen wie "Hope Of Deliverance" von 1992, das für seinen größten Solo-Erfolg steht. Die heute beginnende Europa-Tournee ist ein feiner Anlass, gegen diesen Irrglauben zu predigen.

McCartney ging in den 70er Jahren verkrampf mit der Bürde um, einer der zwei kreativen Köpfe in der besten Band der Welt gewesen zu sein. Bei Konzerten seiner Band Wings lehnte er es ab, Titel aus der großen alten Zeit zu spielen. Er war erst Ende 20 und wollte seine jeweils aktuelle Musik gewürdigt wissen. Die konnte sich durchaus hören lassen. Seine erste Solo-Platte "McCartney", eine Woche nach dem Ende der Beatles auf den Markt gebracht, birgt Kompositionen wie "Maybe I'm Amazed" und "Every Night", die noch heute gültig sind. Die Wings-LP "Band On The Run" gehört zu den besten Alben der 70er Jahre. Und "McCartney II", 1980 von der Kritik abgelehnt, klingt bei nochmaligem Hören in seiner Skizzenhaftigkeit modern.

Erst allmählich akzeptierte McCartney, dass er die Schatten von John, Ringo und George nicht würde abschütteln können. Sie reichen weit über seine Lebenszeit hinaus, so groß war der gemeinsame Entwurf von in Klang übersetzter Jugendlichkeit — der Erfolg der Beatles-Neuausgaben bestätigt das derzeit. Er suchte nach einer Rolle, vielleicht kann man die künstlerische Phase so auf einen Nenner bringen, die von der Mitte der 80er bis tief in die 90er Jahre reicht und in der viel Unfug entstand — das Album "Give My Regards To Broad Street" etwa. Spätestens seit dem Tod George Harrisons vor acht Jahren akzeptierte McCartney den Job als Museumsdirektor des Pop. Er verwaltet mit durchaus angebrachter Eitelkeit und Selbstironie das Repertoire der Fab Four, sorgt sich um das Andenken an jene Zeit — und vor allem: Er tradiert die mehr als 40 Jahre alten Lieder in die Gegenwart. Seine Konzerte variieren das Bekannte, jedes eine live dargereichte Best-Of-Sammlung. Drei Viertel des Materials stammen dabei aus den 60ern, kein Fan wird bei den Konzerten in Berlin, Hamburg und Köln ein Lieblingslied vermissen: Von "Drive My Car" bis "Let It Be" ist alles dabei. Dazu gibt es Evergreens der 70er, "Live And Let Die" zum Beispiel. McCartney spielt auf der Bühne die Rolle, in der ihn die Menschen am liebsten sehen, die des ewigen Beatle.

Neben dem Kerngeschäft unterhält Sir Paul unbehelligt von der Öffentlichkeit eine Werkstatt, in der künstlerisch ambitionierte, klassische wie populäre Musik entsteht. Die Platten seines Fireman-Projekts etwa, auf denen er mit dem Produzenten Youth elektronische Klangteppiche ausrollt, die nur ausnahmsweise die Struktur von Songs haben. McCartney hält Kontakt zu den jungen Kreativen, zur Band Radiohead etwa, deren Produzent Nigel Godrich er für das Album "Chaos And Creation In The Backyard" engagierte. Es ist sein bislang bestes, stilsicher, reif und zeitgemäß. Auch was die Vertriebswege seiner Werke betrifft, mag McCartney es progressiv. Das Album "Memory Almost Full" bot er vor zwei Jahren zunächst ausschließlich über die Kaffeehaus-Kette "Starbucks" an.

Man darf sich McCartney also als glücklichen Künstler vorstellen, als Teil der musikalischen Gegenwart. Auf der Bühne repräsentiert er indes die alte Schule. Er trinkt dort nie, nicht mal Wasser. "Du solltest dein Konzert spielen, das ist dein Job", sagt er. "Es gehört sich nicht, die Show zu unterbrechen."

(RP)
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