Verstorbene Gitarrist Paco de Lucía Flamenco-Kunst auf sechs Saiten

Madrid · Es ist immer betrüblich, wenn Musiker mit den falschen Platten in Erinnerung bleiben. Sie kleben am Mythos wie Kaugummis. Der verstorbene spanische Gitarrist Paco de Lucía hatte mit eben jenem Problem zu kämpfen.

Es ist immer betrüblich, wenn Musiker mit den falschen Platten in Erinnerung bleiben. Sie kleben am Mythos wie Kaugummis. Der verstorbene spanische Gitarrist Paco de Lucía hatte mit eben jenem Problem zu kämpfen.

Denkt die Weltöffentlichkeit an Paco de Lucía, den grandiosen spanischen Flamenco-Gitarristen, fällt ihr natürlich zuerst "Friday Night in San Francisco" ein, dieses in der Tat feine Live-Album mit den Gitarrenkollegen John McLaughlin und Al Di Meola. In seinen besten Momenten ist dieser Mitschnitt aus San Francisco ein Kommunikations-Highlight. Aber die Platte war eine Zufallsproduktion mit einigem Nervenkitzel. Für Lucía-Fans ist sie bis heute einzig unter der Devise spannend, wie sehr der Meister die Farben und Rhythmen des Flamenco gegen neue Einflüsse des Jazz tauschen konnte. Nun, er konnte. Aber typisch sind sie nicht für ihn.

In Wirklichkeit sind seine schönsten Platten ganz andere, etwa "Soy grande por ser gitano" mit dem großen Camarón de la Isla oder "Cante y guitarra" mit Fosforito. Hier, im Duo mit zwei königlichen Flamenco-Sängern, zeigt sich ein Paco de Lucía, wie er immer war und immer sein wollte: Pflege der Tradition als Bewahrung des Feuers, zugleich Erweiterung des Horizonts. Ihm ging es darum, ein Zimmer zu dehnen, seine Wände zu verschieben, die Enge zu überwinden. Aber das Zimmer wollte er nicht verlassen. Er wollte nur, dass der Flamenco aus der Ethno-Ecke herauskam — und sein wundervoller, kühler, gläserner Gitarrenklang half ihm dabei.

Schon in Kindertagen war die Gitarre das Instrument, das bis in sein Kinderzimmer klang, gespielt vom Vater, der als Hobby-Gitarrist ein guter Pädagoge war, denn der kleine Paco fand sich in der Welt der sechs Saiten bald so selbstständig zurecht, dass er mit elf Jahren erstmals öffentlich auftrat.

Dabei war Francisco Sánchez Gómez, wie Lucía bürgerlich hieß, alles andere als ein typischer Flamenco-Musiker: Er stammte nicht von echten Gitanos ab, und er war kein Sänger, sondern ein Begleiter. Aus der Überwindung dieser Standesgrenze machte Lucía sein Prinzip. Von Puristen musste er sich zwar vorhalten lassen, er verwässere die alte Musik der andalusischen Gitanos. Der Gitarrist wies die Vorwürfe zurück. "Der Flamenco verliert nichts, sondern er gewinnt etwas", sagte er. In den 80er Jahren gründete er ein Sextett, das den Flamenco nicht nur mit Gesang und Gitarre intonierte, sondern auch mit Saxofon, Flöte, Bass und Schlagzeug einsetzte. Anfang der 90er Jahre wagte Lucía sich in die klassische Musik vor und nahm ein Album mit Stücken von Manuel de Falla auf.

Jetzt ist Paco di Lucía mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt in Mexiko gestorben.

(RP)
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