Neue Platte Nina Hagen macht spirituelle CD

(RP). Wer hätte gedacht, dass es noch einmal eine Platte von Nina Hagen geben würde, die man gerne auflegt? Das Album "Nina Hagen Band", das 1978 erschien, also zwei Jahre nachdem sie im Schlepptau Wolf Biermanns von Ost-Berlin nach Hamburg rübergemacht hatte, und auch noch das ein Jahr jüngere "Unbehagen" waren originelle Anverwandlungen von Punk und New Wave für deutsche Hörer.

Das schrille Leben der Nina Hagen
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Foto: DDP

Das war neu und gut, da mischte jemand Brecht mit Brian Eno. Danach indes trennte sich Nina Hagen von ihrer Band, die unter dem Namen Spliff noch ein paar Hits hatte, und sie glaubte fortan hauptberuflich an Ufos, Außerirdische, Brahmanen und das Kamasutra. Jüngst ließ sich die 55-Jährige im niedersächsischen Schüttorf taufen.

Immer wenn sie im Fernsehen auftrat und sich an den Rand der Zurechnungsfähigkeit redete, wechselte man mit einem Gefühl den Sender, das mit Befremdung am treffendsten beschrieben ist. Aber — ganz komisch — das war nicht so sehr Befremden über das Schrille dieser Frau, sondern viel mehr noch Verärgerung über die Vergeudung des Talents. Man mochte sich nicht abfinden mit ihrer Irrelevanz. Denn Nina Hagen, da war man sich die ganzen Jahre über sicher, kann was. Sie wurde ja einst mit Patti Smith verglichen, und die lässige Verquickung von stimmlicher Perfektion und folkloristischem Humor faszinierte schon 1974 beim Gassenhauer "Du hast den Farbfilm vergessen". Das ist ja überhaupt ein unterschätztes Lied. Hierzulande nahm man es und die dazugehörige Performance zumeist bierernst für das, was sie vorgaben zu sein, und fand es bloß süß. Dabei war es in Wirklichkeit reine Parodie, garstig und böse überdreht und um vieles gescheiter als Hagens spätere Imitationen von Zarah Leander und Frank Sinatra.

An diese beinahe vergessene Zeit, als es noch eine Kunst war, Nina Hagen zu sein, erinnert nun die Platte "Personal Jesus". Die Hagen, wie wir sie nennen wollen, weil es immer noch zumindest ein Verdienst ist, Nina Hagen zu sein, gospelt sich mit Inbrunst durch volkstümliche Kirchenlieder aus Amerika, durch Songs von Elvis und Woody Guthrie. Sie lässt die Verse keck über die Zunge rollen, verheiratet Blues und Berliner Schnauze und verlegt den Mississippi an den Alexanderplatz.

Nina Hagen, das ist das größte Kompliment, spürt man die Ehrfurcht vor dem Kern der Stücke an. Was viele ihr nicht zugetraut hätten, gelingt: Sie unterscheidet zwischen spirituell und spiritistisch. Ihre Stimme ist sicher, sie kann schnurren und brummen und kieksen und stellt sich doch stets in den Dienst des Textes und des Arrangements. So nimmt man ihr ab, was sie da macht, eine Country-Platte nämlich, auch wenn sie es mitunter natürlich nicht lassen kann und daraus eine Nina-Hagen-Platte macht: Der Titelsong "Personal Jesus" etwa klingt wie eine Persiflage auf den gebrochenen Bariton von Johnny Cash. Der 2003 gestorbene Sänger interpretierte den Depeche-Mode-Hit kurz vor seinem Tod und bewies bei aller Hochachtung damals schon, dass man den Elektropop nicht unbeschadet nach Nashville transportieren kann.

Das soll die Freude nicht trüben; die CD zu hören macht tatsächlich Spaß. Sie ist von Nina Hagen.

(RP)
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