Kaum ist die traurige Nachricht von ihrem Tod eingetroffen, muss ich sie wieder zu den Lebenden zurückholen – und muss mir diesen zweiten Akt aus Wagners „Walküre“ anhören. Wie sie als Fricka mit dem Wotan von Hans Hotter ins Gericht geht, wie sie ihn als Rechtsbrecher ins Gebet nimmt, wie sie keift, majestätisch dröhnt, sanft klagt, wie sie ihre ganze Trauer in Noten fasst: Das zählt (in der „Ring“-Aufnahme von Georg Solti) zu den elementaren Erfahrungen, die man als Musikfreund machen kann. Christa Ludwig war ja nicht nur eine Sängerin mit großem stimmlichen Radius, nicht nur eine Mezzosopranistin mit herrlicher Stimme, sondern auch eine Ausdruckshungrige. Was sie sang, beglaubigte sie mit 120 Prozent.