Star-Geigerin will abtreten Mutter will ganz Mutter sein

München (RP). Die weltberühmte Geigerin Anne-Sophie Mutter will in zwei Jahren von den Konzertpodien dieser Welt abtreten. Sie möchte sich als Alleinerziehende stärker um ihre beiden Kinder kümmern, die keinen leiblichen Vater mehr haben.

Anne-Sophie Mutter ist es leid. Sie hat im Leben oft Entscheidungen für die Ewigkeit getroffen, die sie revidieren musste. Sie plante Ehen und stand plötzlich in Trauer: Nach sechs Jahren gemeinsamen Glücks starb ihr erster Mann 1995 an Krebs (aus der Ehe hat sie zwei Kinder). Die 2002 besiegelte Verbindung mit dem 31 Jahre älteren Dirigenten und Komponisten André Previn wurde kürzlich geschieden. Jetzt plant sie ganz ihren Rückzug. Mit ihrem 45. Geburtstag wolle sie aufhören, sagte die 43-jährige Künstlerin dem "Arte"-Magazin.

Anne-Sophie Mutter ist es fraglos auch leid, immer wieder Platten herauszubringen, die von Millionen Leuten gekauft werden, aber von den führenden internationalen Musikkritikern verrissen werden - vor allem wenn sie Mozart, Beethoven und Brahms spielt. Freilich steht die Diva nicht nur mit den Kritikern auf Kriegsfuß, ihr ist auch der ganze Musikzirkus zuwider. Allerdings weiß sie, dass sie diesen Zirkus bislang willig bedient hat und von ihm lebt. So wurde sie über die Jahre der einzige deutsche Klassikstar mit Pop-Format, sozusagen das Basismodell, das in Gestalt der jüngeren Anna Netrebko getunt wurde (die es als Russin zur Pass-Österreicherin gebracht hat).

Was diesen speziellen Vergleich anlangt: Angesichts der optischen Erbaulichkeit, den Mutter heute verströmt, muss sie keinen Vergleich fürchten. Fürchten muss sie allerdings den Geigennachwuchs: Hilary Hahn, Joshua Bell, Julia Fischer, Sarah Chang, Janine Jansen, Baiba Skride, Renaud Capuçon. Alle jung, alle vehement begabt und Stars schon jetzt. Da wird die Luft am Olymp der Geigenkunst dünn.

Indes will Anne-Sophie Mutter ihre Ansage nicht pingelig bewertet wissen: "Das bezieht sich nicht explizit auf dieses Datum, sondern auf eine gewisse Spanne, in der ich mein Leben auf der Bühne beenden möchte, bevor man hinter meinem Rücken davon träumt, dass ich zurücktrete", sagte sie. Diese "gewisse Spanne" sagt nun gar nichts.

Oder eine raffinierte PR-Nummer?

Wollte man übellaunig sein, könnte man die Chronik eines angekündigten Rückzugs bereits jetzt niederschreiben und als gerieben eingefädelte PR-Nummer ausweisen: Bald werden noch einige CD's aufgenommen, dann als wuchtige "Last Edition"-Box auf den Markt gedonnert, die dann wieder in Einzelteile zerlegt und einzeln verkauft wird.

Derweil wird Anne-Sophie Mutter eine gigantische Abschiedstournee in 58 Ländern mit 398 Konzerten geben. Diese Tournee wird - Erholungspausen, Urlaub, Kindererziehungszeiten eingerechnet - neun bis zwölf Jahre dauern. Es gibt viele Künstler, die seit Jahrzehnten Abschiedstourneen unternehmen. Immer kommt was dazwischen.

Über ihre Neigung zum Unterrichten ist wenig bekannt. Allerdings unterstützt sie Hochbegabte immens (vor allem durch ihre Stiftung). Anne-Sophie Mutter ist eine vermögende Frau, die von Honoraren nicht mehr leben muss und den Stress und die fremden Hotelzimmer gegen eine höher gewichtete und intensivere Mutterschaft tauschen will. Nicht die unsympathischste Lebensplanung einer Künstlerin, die wohl auch ihr Image als kühler Engel zu beenden sucht.

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