Jazzfestival mit 200 Musikern Das Moers Festival feiert das Werk von György Ligeti
Moers · Der ungarische Komponist von „Lux Aeterna“ wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden. Das Internationale Jazzfest widmete ihm ein großes Geburtstagsspecial. Mehr als 200 Musiker aus 20 Nationen spielten am Pfingstwochenende auf dem Moers Festival.
Das Moers Festival hat am Pfingstwochenende die Türen nach „Kylwiria“ aufgestoßen. György Ligeti, der dieses utopische Land mit eigener Sprache, Grammatik und sozialer Ordnung in seiner Kindheit erfand, wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden. Das Jazzfest in Moers widmete dem ungarischen Komponisten ein großes Geburtstagsspecial. Im Mittelpunkt standen musikalische Begegnungen mit seinem Sohn Lukas, die Aufführung des berühmten Chorwerks „Lux Aeterna“ und eine Uraufführung. Festivalleiter Tim Isfort hatte diese Auftragskomposition gleich an sechs Musiker vergeben: Nate Wooley, Lucia Kilger, Vassos Nicolaou, Theresia Philipp, André O. Möller und Carolin Pook ließen sich von Ligetis Werk zu „Music from Kylwiria“ inspirieren und schufen begleitet vom Kollektiv ColLAB Cologne, das mit Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz besetzt ist, eine berauschende Klanglandschaft. Die Leitung hatte Susanne Blumenthal.
Das Moers Festival ist auf seine Art selbst ein fantasievoller Kosmos mit eigener Landkarte, die zu den Spielorten von Jazz, Improvisation und Weltmusik an unterschiedlichen Standorten in der Stadt führt. Wer am Wochenende der Musik folgte, ging auf eine große Wanderschaft – von der intimen Atmosphäre der Konzerthalle am Solimare bis zur Open-Air-Bühne im Freizeitpark und dem Hof eines Moerser Gymnasiums. Dort trafen sich Musiker wie Jim Hart, Florian Arbenz und Ivo Neame zum freien Spiel unter dem Sonnensegel und jazzten miteinander.
Überall in der Stadt spielte die Musik – in Buchläden, Wirtshäusern und Modegeschäften. Es ging im Festivaldorf vorbei an bunten Händler-Ständen mit Räucherstäbchen, Hippie-Mode, Kunsthandwerk und Kitsch. Festivalleiter Tim Isfort wartet jedes Jahr mit neuen Musik-Konstellationen auf. Erstmals stand 2023 der künstlerische Austausch mit dem Café OTO in London auf dem Programm. Es ist der Ort für Freejazz, Improvisation und Experimentelles in der britischen Metropole. Ermöglicht wurde das Projekt durch die Kunststiftung NRW. So trafen sich Raissa Mehner (Gitarre) und Simon Camatta (Schlagzeug) aus Nordrhein-Westfalen mit Bex Burch (Percussion) und Caroline Kraabel (Saxofon) aus Großbritannien zum experimentellen Stelldichein.
Eine Neuauflage fand das 2022 entwickelte hybride Format „@the same time“. Musiker spielen dabei zeitgleich an unterschiedlichen Orten, hören sich nur über Kopfhörer und interagieren trotzdem miteinander. Lukas Ligeti, selbst Musiker und Komponist, ließ sich auf diese Herausforderung ein und schrieb für dieses Format eigens das Stück „En mêmes Temps“, das Musiker des Pariser Ensembles Icosikaihenagone auf der Bühne im Freizeitpark aufgriffen. Gemeinsam sind sie nur im „Moersland“, der virtuellen Festivalrealität, zu erleben.
Trotz so manch verkopft wirkender Experimente bot das Moers Festival an Pfingsten einen Raum für Entdeckungen unter den gut 200 Musikern, die aus aller Welt nach Moers gekommen waren. Nélida Karr aus Äquatorialguinea verzauberte mit ihrer herrlich klaren Stimme, ihrer Gitarre und Liedern, die von den Traditionen ihrer Heimat erzählen, die Zuhörer in der Festivalhalle. Die Formation „FYEAR“ aus Kanada überraschte mit Musik, die zwischen stampfenden Schlagzeug-Rhythmen, abstrakten Gesängen und elektronischen Impulsen die Sprache zelebrierte. Und „Ganelin Trio Priority“ brachte mit Saxofon, Keyboard und Schlagzeug den alten Freejazz-Geist nach Moers zurück.