"Ego:X" - 10. Album von Diary of Dreams Mit Vin Diesels Stimme düster-schön philosphieren

Düsseldorf (RPO). Den Namen Martin Kessler kennen wohl nur wenige - seine Stimme schon. Denn Kesser leiht Hollywood-Größen seine Stimme für die deutschen Synchronisationen. Unter anderem für Nicolas Cage und Vin Diesel. Und diese unverwechselbare Stimme findet sich nun auf einem mit Spannung erwarteten Album der "Traumtagebuchschreiber" von Diary of Dreams wieder.

 Diary of Dreams legen mit "Ego:X" ihr 10. Album vor.

Diary of Dreams legen mit "Ego:X" ihr 10. Album vor.

Foto: CD-Cover

Knapp ein Jahr nach der ersten Ankündigung erschien Ende August mit etwas Verspätung — ursprünglich war Anfang 2011 geplant — das zehnte Studioalbum von Diary of Dreams mit dem Titel "Ego:X". Im Zentrum des Konzeptalbums steht der Protagonist X, der auf einer musikalischen und textlichen Reise Abschied von seinem alten Leben nimmt, zu etwas Neuem mutiert und sich selbst eine neue Welt erschaffen möchte. Den Blick hoffnungslos nach vorn, gleichzeitig aber auch wehmütig zurück gerichtet, fühlt sich X enttäuscht, verletzt und orientierungslos.

Um innerhalb dieses Konzepts einen möglichst großen Interpretationsspielraum zu gewähren, lässt Bandkopf Adrian Hates in der Geschichte von X einmal mehr Realität und Phantasie ineinander fließen. "Ich liebe es, wenn auf diese ungewöhnliche Art und Weise Kommunikation stattfinden kann zwischen dem, der schreibt, und dem, der liest oder hört", erklärt der gebürtige Düsseldorfer seine Arbeitsweise.Außerdem finde er es spannend, einem Charakterverlauf auf einem Album zu folgen.

Personifiziert wird X auf dem zehnten Diary of Dreams-Album — das in vier edlen Editionen erscheinen wird, die sich jeweils in Gestaltung und musikalischem Inhalt voneinander unterscheiden — von dem deutschen Schauspieler und Synchronsprecher Martin Keßler, der seine Stimme sonst unter anderem den Hollywood-Stars Vin Diesel und Nicholas Cage leiht. Neben dem Intro und Outro spricht Keßler, je nach CD-Edition variierend, insgesamt sieben Monologe. Als weiterer Überraschungsgast ist auf "Ego:X" die englische Sängerin und Songwriterin Amelia Brightman (Schwester der wohl weit bekannteren Sarah Brightman) zu hören, mit der Adrian Hates das Duett "Push Me" singt — übrigens das erste Duett seiner musikalischen Laufbahn.

Jede Menge Meta-Botschaften

Das Ergebnis ist das wohl bislang abwechslungsreichste Album der Band. Es schafft ohne Probleme des Spagat zwischen Balladen und temporeichen, eingängigen Stücken. Und wie auf jedem Diary-Album gibt es im Text nicht nur Worte sondern auch jede Menge Sub-Text zu entdecken. Wortwörtlich bleibt dem Hörer zwischen den Zeilen wieder einmal sehr viel Raum für persönliche Interpretation. Auffällig ist übrigens auch die verhältnismäßig häufige Verwendung der deutschen Sprache bei den Songtexten - in der Vergangenheit war das eher die Ausnahme.

Nach einem phantastisch gesprochen Intro von Kessler/Diesel/X beginnt die musikalische Reise temporeich mit "Undividable", hier sind treibende Gitarren das vorherrschende Element, zwischen denen Geigen- und Klavierklängen wirkungsvoll Akzente setzen. Das Stück hat definitiv das Zeug zu einem Clubhit in den einschlägigen "schwarzen" Kreisen. Gerade deshalb wird es aber vielleicht für DoD-Puristen eine Enttäuschung sein. Immerhin hat sich Adrain Hates' Stimme nicht verändert und lässt die Fans sofort wieder mit einer melancholisch-schönen Gänsehaut zurück.

"Schlaf ein mein Kind, schlaf ein…" Diese Aufforderung ist wohl kaum ernst gemeint. "Lebenslang" verlangt die Auseinandersetzung mit dem Gefängnis namens Leben - und das auf eine musikalisch fordernde Weise, die einen nur schwer loslässt.

Klavier- und Synthesizerklänge dominieren "Grey the blue" - der Strom an Melancholie ist kaum zu ertragen. Hier blitzt die wahre Stärke von Bandkopf Hates auf - niemand kann "Weltschmerz" derart schön in Szene setzen.

Die Ballade "Immerdar" lockt den Hörer in die "Hoffnungsfalle" - doch wer glaubt hier wirklich an ein gutes Ende?

Das erste Duett in der Bandgeschichte folgt: "Push me" beginnt mit einer bemühten Amelia Brightman - schnell wird klar, dass sie mit dieser Art von Musik und Botschaft hoffnungslos überfordert ist. Glücklicherweise rettet Hates den Song mit seiner traumhaften Stimme.

"Echo in me" bringt dann wieder etwas Tempo - aggressive Gitarren spiegeln das Verzweifeln am eigenen Ich wieder.

"Splinter" überrascht den Hörer mit zunächst ruhigen Klängen, durchbrochen von kraftvollen Gitarrenriffs. Aber die Stimme von Gaun:A jagt dem Hörer mit seinem heiseren "You make me hate myself" Schauer über den Rücken. Kaum hat man sich an die mehr oder weniger unterschwellige Wut des Songs gewöhnt, setzt der melodiöse Refrain ein und verleiht dem Stück eine überraschende Wendung.

Die letzten drei Songs des Albums wollen allerdings so gar nicht in das bisherige "Bild" des Werks passen. Es drängt sich der Gedanke auf, dass diese Lieder eigentlich noch von der letzten Platte "If" stammen und dort vielleicht nicht mehr unterkamen. Stilistisch jedenfalls passen "Mein-Eid", "Fateful Decoy" und "Weh:Mut" besser zum Vorgänger.

Fazit: Auch wenn Hates und sein Diary einiges an Neuem ausprobieren (Duett, eingekaufte Stimme, Charakterentwicklung) bleibt festzuhalten, dass sowohl alte Fans wie auch vielleicht neue "schwarze" Freunde der Melancholie auf ihre Kosten kommen. Aber eines ist sicher: kein Sänger kann so schön an der Welt leiden und verzweifeln wie Adrain Hates.

(felt)
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