Michael Jackson - Prominentes Opfer oder Verbrecher?

Santa Barbara (rpo). Das Polizeifoto von Michael Jackson ist im Internet leicht zu finden. Die Polizei in Santa Barbara gab öffentlich die Webseite (www.sbsheriff.org) bekannt, auf der man sich das Gesicht des Entertainers nach seiner Festnahme anschauen kann. Aufnahmen vom einstigen "King of Pop" in Handschellen liefen pausenlos in allen US-Fernsehsender.

Die Jackson-Story drängte den blutigen Terroranschlag in Istanbul und den Staatsbesuch von US-Präsident George W. Bush in Großbritannien auf manchen Fernsehkanälen in den Hintergrund.

Mit Helikoptern, Übertragungswagen und zu Fuß machten hunderte Reporter Jagd auf den Weltstar, der sich in Kalifornien wegen Vorwürfen von Kindesmissbrauch verantworten muss. Wie einst die Flucht des mordverdächtigen Football-Stars O.J. Simpson wurde jede Bewegung von Jackson und seiner Fahrzeugkolonne live mitverfolgt.

Für Jermaine Jackson ist der Fall klar. Dies sei "modernes Lynchen", sagte der Bruder des Sängers mit erregter Stimme am Telefon dem Sender CNN. Er wetterte gegen die unzähligen Kommentatoren, die schlecht über Michael sprechen würden, ohne ihn zu kennen. Sein Bruder sei unschuldig und die Familie stehe tausendprozentig hinter ihm. Auch Fans stehen treu zu ihrem "Jacko". Bei seiner Rückkehr in Las Vegas bestürmten viele von ihnen Jacksons Fahrzeug. Sie winkten dem Weltstar zu und reichten ihm durch einen Spalt in der Fensterscheibe die Hand.

Jacksons Anwalt, Mark Gregaros, trat in Santa Barbara siegessicher vor die Presse, während Jackson auf der Wache fotografiert und seine Fingerabdrücke genommen wurden. Die Anschuldigungen seien eine "große Lüge". Er werde vor Gericht die Unschuld seines Mandanten beweisen.

Für jedes Vergehen drohen drei bis acht Jahre Haft

Doch selbstsicher trug der leitende Staatsanwalt Thomas Sneddon seine Anklage vor. Jackson werde sich gleich in mehreren Fällen von Missbrauch eines Kindes unter 14 Jahren verantworten müssen. Jedes Vergehen kann mit drei bis acht Jahren Gefängnis bestraft werden.

Es sei kein Geheimnis, dass Sneddon den Entertainer hinter Gitter bringen will, schrieb die "Los Angeles Times". Der Jurist war schon 1993 mit dem Fall eines 13-jährigen Jungen befasst, der damals Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen Jackson erhoben hatte. Es kam aber nie zum Prozess. 1994 zahlte Jackson an die Familie eine Millionenabfindung, um ein Zivilverfahren abzuwenden. Weil sich der Junge danach weigerte, gegen den Popstar auszusagen, musste Sneddon den Fall fallen lassen.

Ein Jahr später fand sich Sneddon auf Jacksons Album "HIStory" wieder. Dort besingt der Popstar den ehrgeizigen Staatsanwalt als einen kalten Mann, der ihn um jeden Preis schnappen will. Auch jetzt witterte Jackson wieder eine Verschwörung der Justizbehörden. Es werde immer dann eine "schreckliche Behauptung" gegen ihn gestreut, wenn er gerade ein neues Album oder Video auf den Markt bringt. Am Dienstag, dem Tag der überraschenden Durchsuchungsaktion auf Jacksons Neverland Ranch, hatte das zu Sony gehörende Label Epic Records eine Sammlung der größten Jackson-Hits ("Number Ones") veröffentlicht.

Die Platte enthält auch einen neuen Song: "One More Chance" - als hätte Jackson geahnt, dass sich in dieser Woche viele fragen würden, ob der Entertainer noch eine Chance hat. Sneddon ist jedenfalls zuversichtlich, dass sich Jackson diesmal nicht mit Geld aus der Affäre ziehen kann. Mit bis zu 20 Millionen Dollar soll er 1994 seinen jugendlichen Ankläger zum Schweigen gebracht haben, hieß es damals in Medienberichten.

"Der Junge möchte mit der Polizei kooperieren", sagte Sneddon über den Zwölfjährigen, der die neuen Vorwürfe vorbrachte. Auch Johnnie Cochran, der Jackson vor zehn Jahren vertrat, sieht jetzt keinen Fluchtweg. Es werde bestimmt zu einem Prozess kommen, sagte der Prominentenanwalt am Donnerstag in der "Today"-Show. Auf jeden Fall muss Jackson am 9. Januar vor dem Haftrichter erscheinen.

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