„McCartney 3, 2, 1“ bei Disney+ Best-of-Geschichten von den Beatles

Los Angeles · Für die Serie „McCartney 3, 2, 1“ spricht Produzentenlegende Rick Rubin mit Ex-Beatle Paul McCartney. Die besten Momente sind jene, in denen Sir Paul mit sich selbst im Duett singt.

Rick Rubin mit Paul McCartney im Studio.

Rick Rubin mit Paul McCartney im Studio.

Foto: Copyright: © 2021 Hulu/Hulu

Sehr schön, wie Rick Rubin, der kalifornische Produzent mit dem Rauschebart, vor Paul McCartney auf dem Boden hockt. Rubin produzierte einst die Beastie Boys, Public Enemy und Slayer. Johnny Cash verdankt ihm sein spätes Comeback, und bei Metallica und den Red Hot Chili Peppers hatte Rubin ebenfalls seine Finger im Spiel. Nun sitzt er also barfuß und im T-Shirt wie ein Buddha da und lauscht dem auf einem Sofa thronenden Sir Paul. Der berichtet, dass er drei Tage nach der Veröffentlichung von „Sgt. Pepper“ gemeinsam mit George Harrison ein Konzert von Jimi Hendrix in London besuchte. Gleich zu Beginn habe Hendrix den Titelsong des Beatles-Albums gecovert. Eine sensationelle Verneigung vor dem Meisterwerk der Gruppe. „Ja“, sagt McCartney, als sei das das eigentlich Verwunderliche, „er hatte ihn in nur drei Tagen gelernt.“

„McCartney 3,2,1“ heißt die Serie, zu der diese Szene gehört. Sechs Teile zu je einer halben Stunde gibt es nun auf der Streamingplattform Disney+, und im Grunde ist das eine in Häppchen portionierte Talkshow. McCartney und Rubin treffen sich in einem Studio, das abgedunkelt wurde und manchmal wie ein Raumschiff anmutet, bisweilen wie ein geheimes Labor. Das Gespräch funktioniert so: Rubin hält McCartney Streichhölzer hin, und der 79 Jahre alte Ex-Beatle fängt sofort Feuer. Er erzählt von früher, von Liverpool, John und George, von Ringo und seiner anderen Band, den Wings.

Natürlich wird das manchmal ganz schön nerdig, aber wer will denn nicht ganz dringend und unbedingt wissen, wie „Michelle“ entstand? Auf einer Party von Johns Kunstschule nämlich. Dahin ging Paul im existenzialistischen schwarzen Turtleneck-Sweater, weil er französisch aussehen wollte. Er klimperte ein bisschen auf der Gitarre herum, und dabei komponierte er halt so nebenbei „Michelle“. Jahre später soll John gesagt haben: „Weißt Du noch, der kleine französische Song damals? Du solltest ihn fertig schreiben.“ Der Rest ist Geschichte: „Michelle, ma belle / These are words that go together well.“

Das Ganze ist in Schwarzweiß gefilmt, was etwas gediegen wirkt, das hätte es nicht gebraucht. Rubin gelingt es durch gebrummte Kommentare, McCartney immer wieder aus der Reserve zu locken. Seine Strategie: einen Beatles-Song anspielen und am Mischpult nur den Basslauf hervorzuheben oder nur die Vocals. McCartney singt dann automatisch mit, und das ist überhaupt das Allerbeste: McCartney mit Paul im Duett singen zu hören, den Alten zusammen mit seinem früheren Ich.

Szene aus der Serie: Rick Rubin hockt wie ein Buddha vor Paul McCartney.

Szene aus der Serie: Rick Rubin hockt wie ein Buddha vor Paul McCartney.

Foto: Copyright: © 2021 Hulu/Hulu

Wer mit der Geschichte der Beatles vertraut ist, wird viele der Vignetten schon kennen, aber man kann sie ja gar nicht oft genug hören. Die von der Konkurrenz mit den Beach Boys etwa. Ein großer Einfluss seien die Harmoniegesänge der Amerikaner gewesen, sagt McCartney. Brian Wilson habe daraus dann eine kleine Rivalität gemacht. Er wollte ein Album schaffen, das größer war als das aktuelle der Beatles und so entstand die Jahrhundertplatte „Pet Sounds“. Die Beatles beschlossen sogleich, eine Platte zu machen, die größer wäre als „Pet Sounds“, und so entstand die andere Jahrhundertplatte „Sgt. Pepper“.

Ach so: Der Name „Sgt. Pepper“, woher kommt der eigentlich? McCartney saß mit einem Roadie im Flugzeug. Das Essen wurde serviert, und der Roadie bat um „Salt and Pepper“. McCartney verstand wegen des Fluglärms aber „Sgt. Pepper“ und dachte sogleich: Sgt. Pepper könnte eine coole Figur sein.

So schnurren die Dönekes ab, und McCartney berichtet mit halb heruntergelassenen Lidern. Er erzählt mit vorgeblichem Understatement, aber natürlich weiß er, dass man vorm Fernseher sitzt und mehr hören will und noch mehr. Und dann erzählt er vom ersten Treffen mit George in einem Bus. Rick Rubin spielt rasch „While My Guitar Gently Weeps“ ein, und man fasst es nicht, wie gerührt man plötzlich ist. „This is where Eric came in“, sagt Paul lakonisch und meint natürlich den Beitrag von Clapton zum Song. Sie hören und schweigen, und irgendwann sagt Paul über George: „Der kleine Junge aus dem Bus wurde ein sehr weiser Mann.“

Garniert werden die Erzählungen mit Archivmaterial. Die Beatles spielen „We Can Work It Out“ und „All My Loving“. Die Beatles halten ihre Gitarren wie Geigen. Die Beatles haben fun. „Ich dachte früher, alle Familien sind glücklich“, sagt McCartney, aber John habe ihm gezeigt, dass dem nicht so sei. Zusammen seien sie früher oft im Bus zum Plattenladen gefahren, eine halbe Stunde habe die Fahrt gedauert, und sie hätten beschlossen, später selbst Musik zu machen, für die andere gerne eine solche Busfahrt auf sich nehmen würden.

Obwohl man das allermeiste schon auf den grandiosen und überragenden „Anthology“-DVDs gehört hat, wünschte man sich doch, dass man jeden Abend vor dem Schlafengehen eine halbe Stunde Paul McCartney bekommen könnte.

Solange er noch da ist, ist alles gut.

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