Die geheimnisvollste Band der Welt spielte zweimal im ausverkauften Palladium Kraftwerk: Eine tief rührende Klangreise
Köln (rpo). Darauf haben die Fans zwölf Jahre lang gewartet: Kraftwerk, die Pioniere der elektronischen Musik, sind wieder auf Tour: Am Samstag spielte die "geheimnisvollste Band der Welt" zweimal im Kölner Palladium. Und die Elektronik-Gurus hinter den vier Laptops wurden den hohen Erwartungen gerecht: Die Kraftwerker gehen zwar auf die 60 zu, doch die sehr minimalistische und monumentale Show mit den brillanten Videofilmen hatte trotzdem viel Bewegtheit und begeisterte die andächtig lauschende Anhängerschar.
Der Auftritt zeigte, dass die Band noch immer funktioniert. Und weil auch das ganze Drumherum stimmte (der exzellente Sound !), war es ein grandioser Abend. Die Fans (auch die meisten waren weit jenseits der 40) erlebten eine tief rührende Klangreise der Kultstars Ralf Hütter, Florian Schneider und ihrer zwei Mitspieler - eine auf den Punkt gebrachte und scheinbar übernatürliche Reise durch drei Jahrzehnte Elektro-Sound.
Jeweils etwa 130 Minuten agierte das Quartett, begann mit dem Hit "Mensch-Maschine", der in den 70ern die Popmusik in den Grundfesten erschüttert hatte. Begeistert reagierten die Zuhörer auch auf die anderen Gassenhauer wie "Radioaktivität", "Trans Europa Express", "Das Model" und "Tour de France". Dynamik bezog der Auftritt zum großen Teil durch die Filme mit den Rennwagen und den Radlern der Tour de France, und drumherum sausten die Computeranimationen.
Die Lieder der Elekrtro-Frickler sind kunstvolle Produkte, und sie sind so zeitlos wie die Musiker: So war es nicht erstaunlich, dass die Auftritte ihren traditionellen Ablauf hatten. Und das sah so aus: Starr verharren die Musiker vor ihren aufgeklappten Laptops, so wie Büroangestellte in dunklen Anzügen. Außer dem Gesang und einigen Tastenspielereien kam das meiste vom Band. Hinter ihnen wurden auf einer Leinwand Video-Projektionen gezeigt. "Autobahn" wurde untermalt von farbenprächtig handgemalten Bildern aus der Wirtschaftswunderzeit. "Das Model" war ein Mannequin der 50er Jahre.
Einer der Höhepunkte der Show ohne Lasershow und Kunstnebel waren die Roboter, die einen Song lang die Musiker vertraten. Als der Vorhang sich zum zweiten Mal hob, standen die "Mensch-Maschinen" auf der Bühne und gniegelten "Wir sind die Roboter". Die Legende besagt, diese Puppen hätten Kraftwerk einmal täuschend echt vertreten. Es hieß damals, die Kraftwerker würden an mehreren Orten gleichzeitig spielen. Einmal sozusagen in echt, ein anderes Mal wären sie von ihren maschinellen Doppelgängern vertreten worden. Das Gerücht war aufgekommen, weil sich die Mitglieder Puppen ähnlich auf der Bühne so gut wie gar nicht bewegen.
Kraftwerk gelten als Wegbereiter der elektronischen Musik und waren die erste Band, die 1974 einen deutschsprachigen Song in den US-Charts platzieren konnte. Kraftwerk war nie eine Band zum Anfassen und genau darin liegt ihre Berühmtheit. Von Beginn ihrer Gründung 1970 an gaben die Musiker kaum Interviews und ließen so gut wie nichts über ihr Privatleben nach außen. Viele Jahre war die Band rätselhaft verschollen. 17 Jahre hatten die Fans geduldig gewartet, bis Kraftwerk im Vorjahr das aktuelle Album "Tour de France Soundtracks" herausbrachte.
Die Sturheit, mit der die Düsseldorfer dabei an ihrer Tradition und historischen Überholtheit festhalten, verdient Respekt. Auch live: So sind die Computerschriften auf der Leinwand auch heute noch so grob verpixelt wie ehedem.
Zum Schluss verließen die Musiker in fluoreszierenden Astronauten-Anzügen den Saal: Nacheinander stiegen sie wortlos von der Bühne. Nur Hüter sagte dabei etwas, und es waren die beiden einzigen gesprochen Wörter des Abends: "Gute Nacht".
Von FALK JANNING