Planungsfehler und Führungsstreitigkeiten Kölner Opernsanierung wird zum „Desaster“

Köln · Die Kosten bis zur Wiedereröffnung des Kölner Opernhauses werden sich auf knapp 650 Millionen Euro vervielfachen. Auch die Wiedereröffnung wurde verschoben – auf das Jahr 2024.

 Noch bis zum Jahr 2024 werden die Kölner Opernfreunde ihr Haus nicht am angestammten Platz erleben können.

Noch bis zum Jahr 2024 werden die Kölner Opernfreunde ihr Haus nicht am angestammten Platz erleben können.

Foto: picture alliance / Horst Galusch/dpa

In Köln spricht man mittlerweile vom „Milliardengrab“, das hatte vor neun Jahren noch ganz anders geklungen, damals herrschte noch Euphorie. Im Juni 2012 beschloss die Stadt Köln, ihre Oper (1957 gebaut) und ihr Schauspielhaus (1962) am Offenbachplatz zu sanieren und Kleines Haus und Kinderoper neu zu bauen. Im Raum standen eine Gesamtsumme von 253 Millionen Euro kosten und ein Eröffnungstermin: 7. November 2015.

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Wie wir von bekannten deutschen Konzerthäusern und Hauptstadt-Flughäfen wissen, sind Planungen irgendwann Makulatur. Und nun hat die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht zum ersten Mal ihren Zorn artikuliert: Die Kölner Opernsanierung sei ein „Desaster aus Fehlplanungen und geplatzten Träumen“. Jetzt wird die Eröffnung für 2024 angepeilt, und die neue Summe der Kosten hat mit der Ursprungsplanung natürlich ebenfalls nichts zu tun. Man geht jetzt von knapp 650 Millionen Euro aus.

Wahrscheinlich wird es aber noch viel teurer, weil bis 2024 weitere Firmen in Insolvenz gehen werden, Verträge aber weiterlaufen, Materialien nicht mehr verfügbar sind, neue technische Probleme auftauchen und Prozesse wegen Bau- und Sanierungsmängeln die Causa ebenfalls verschleppen. Und dann müssen die Ausweichhäuser (Staatenhaus für die Oper, Depot für das Schauspiel) ja auch weiterhin angemietet bleiben. Dabei hatte der Kölner Sanierungsbeauftragte Bernd Streitberger im Juni 2019 angesichts der damals bereits auf 572 Millionen Euro gestiegenen Baukosten noch siegessicher mitgeteilt: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die 571 Millionen brauchen.“ Wenn der Kölner Steuerzahler Glück hat (er muss das alles bezahlen), wird sich diese Summe inklusive aller Nebenkosten bis 2024 nicht verdoppeln.

Die Frage nach den Gründen kennt viele Antworten. Eine davon ist sehr grundsätzlicher Art: Die Kölner Oper ist innendrin ein ziemlich betagtes Institut mit begrenzten Räumlichkeiten und technisch auf fast vorsintflutlichem Stand. Ein solches Haus technisch zu perfektionieren, ist widersinnig. Allenthalben fehlt es beispielsweise an Platz für Leitungen. Die Bühne ist zwar wichtig, aber letztlich nur ein Viertel der Miete. Lüftung, Klimatechnik, Elektrik und Brandschutz sind deutlich komplexere Posten. Ein Gutachter sagte: „Diese Aufgabenstellung ist gewissermaßen vergleichbar mit dem Einbau der Technik eines dem heutigen Stand der Technik entsprechenden Mercedes-S-Klasse-PKW in einen VW-Käfer Baujahr 1960.“

Das Kölner Publikum kann sich also schon mal damit vertraut machen, dass frühestens zur Spielzeit 2024/2025 mit dem Spielbetrieb begonnen werden kann; die Bühne dürfte schon vorher für Proben nutzbar sein. Die Frage ist allerdings, wer das Haus dann führen wird. Seit 2012 ist Birgit Meyer Intendantin an dem Haus, das sie seitdem an keinem Tag ordentlich und selbstbestimmt hat führen können. Als sie kam, musste sie es für die Sanierung verlassen. Ihr Fluch ist, dass sie wohl auch die Wiedereröffnung nicht erleben wird, denn OB Reker sucht bereits einen Nachfolger; Meyers Vertrag läuft 2022 aus und soll dann auch nicht verlängert werden.

Für Meyer ist das bitter, allerdings hört man von ihren Mitarbeitern sehr widersprüchliche Dinge über ihren angeblich herben Führungsstil. Der eigentliche Strippenzieher hinter den Kulissen ist aber wohl der Kölner Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth. Der hat mit dem Gürzenich-Orchester fraglos einen gewaltigen Qualitätsschub erreicht, den man beispielsweise an der fabehaften Neuaufnahme der Schumann-Sinfonien ablesen kann. Andererseits wünscht sich Roth wohl, dass nun künftig auch ein renommierter Intendant den Glanz Kölns dupliziert. Ob Roth der heimliche Regent des Hauses sein will, wird sich zeigen.

Für den Scheideweg der Düsseldorfer Opernzukunft – jetziges Haus sanieren oder lieber neu bauen? – ist die Kölner Entwicklung allerdings lehrreich, denn es zeigt sich abermals, dass neuer Wein in alten Schläuchen nur begrenzt bekömmlich ist. Längst mehren sich auch im traditionsseligen Köln die Stimmen, die im Nachhinein einen Neubau für die bessere Lösung gehalten hätten. 

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