Düsseldorfer Symphoniker Innenansichten eines Orchesters

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Symphoniker werden 150 Jahre alt. Sie sind würdige Repräsentanten eines Systems, um das uns die Welt beneidet.

 Eins der großartigen Gastspiele der jüngsten Zeit: die Düsseldorfer Symphoniker bei ihrem Gastspiel im Amsterdamer Concertgebouw.

Eins der großartigen Gastspiele der jüngsten Zeit: die Düsseldorfer Symphoniker bei ihrem Gastspiel im Amsterdamer Concertgebouw.

Foto: Tonhalle / Susanne Diesner

Mitglied bei den Düsseldorfer Symphonikern zu sein - das ist eine Position, die kaum ein Musiker freiwillig aufgibt, wenn er sie einmal, nach erfolgreichem Probespiel und dem Bestehen des Probejahres, erreicht hat. Ein großer Laden mit vielen Aufgaben - dicke Wagner-Opern sind im Opernhaus zu spielen, doch auch Haydn-Sinfonien in der Tonhalle 500 Meter weiter. Viele Karrieren beginnen hier blutjung und währen 40 Jahre, wie diejenige von Taskin Oray, dem türkischen Solo-Oboisten der Symphoniker - eine bewundernswerte Zeitspanne, die sogar das eigene Jubiläum des Orchesters in den Schatten stellt. Die Düsseldorfer Symphoniker werden in diesem Jahr 150 Jahre alt; 1864 wurden sie als städtisches Orchester aktenkundig. Da kann man nur gratulieren.

Das ist Anlass, über Orchester als solche zu sinnieren. Ob sich Musiker mit ihren Lebensentwürfen in einem Orchester vollenden, ob sie dort verenden oder irgendeinen Aggregatzustand zwischen den Extremen erlangen - das hängt von vielen Faktoren ab: Wie inspirierend ist der Chefdirigent? Verreist das Orchester gelegentlich? Sind die Programme geistreich? Wie reagiert meine Cello-Gruppe, wenn ich krank bin? Bekomme ich den Groll der Kollegen zu spüren, wenn sie meinen Dienst wochenlang übernehmen müssen?

Wer 35 Jahre neben einem Stiernacken sitzt, der seine Geige sägt statt spielt, wird seine Abende schöner verbringen wollen. Aber so ist das Leben als Musiker im Orchester: Kunst ist oft Dienst, morgens Probe, abends Aufführung, freie Wochenenden rar. Für Geld spielen Musiker allerdings gern anderswo, das ist für sie Erholung, obgleich sie daheim regelmäßig Überlastung beklagen. Indes: Wenn sie nicht beim Kirchenchor die Mozart-Messe geigen oder in der Musikhochschule unterrichten, bricht unser Musikleben zusammen. Apropos Überlastung: Es sind ja weiß Gott nicht alles Sternstunden, die Musiker erleben. Wenn der Kapellmeister sich wieder durch Verdi zappelt! Wenn die Sopranistin wieder jault! Wenn der Kantinenkoch in der "Walküre"-Pause wieder zeigt, dass er verliebt ist!

Düsseldorf ist natürlich eine treffliche Adresse, bei der Musiker auch finanziell gut überleben. Die deutschen Orchester werden in Tarifgruppen geführt, deren höchste der Buchstabe "A" ist; es geht runter bis "D", für winzige Formationen wie in Hildesheim. Ein Tutti-Geiger als Berufsanfänger startet in Düsseldorf (hier wird Musikern die Tarifgruppe "A" und eine Zulage gewährt) mit 3300 Euro brutto, das kann sich auf 4900 erhöhen, wenn er lange bleibt; Musiker in Spitzenpositionen (Konzertmeister, Stimmführer, Solo-Bläser) beginnen mit 3900 und können 5600 Euro erreichen. Dagegen ist es andernorts bei klammen Kassen üblich, Tarifverträge durch Haustarifverträge zu ersetzen, die schlechter dotiert sind. Dort musiziert dann das Germanwings-Orchester.

Die Dienste eines Orchestermusikers sind von klangvollen Namen dekoriert: Eroica, Pathétique, Italienische, Auferstehung, Aida, Parsifal. Diese Sinfonien und Opern zu spielen oder zu hören - das ist ein gewaltiger Unterschied. Musiker hören dort, wo sie sitzen, oft schlecht, es tutet und knallt, es ist eng. Und an die Bedienung einer Geige hat der liebe Gott nicht gedacht, als er den Menschen erfand. Körperlich gesund ist Musizieren meist nicht.

Krisen hängen aber auch mit dem Anspruch zusammen. Mit Dirigenten hadern Musiker immer. Entweder sind sie geniale Schinder - oder herzensgute Luschen. Dass ein Dirigent geliebt und zugleich verehrt wird, kommt nur in der Erinnerung vor. Da sich Orchester ihre Chefs aussuchen dürfen, kommen halt zuweilen halbwarme Lösungen zustande. Im ungünstigen Fall vermählt sich das Niveau da oben mit dem da unten - und alle Beteiligten sind für die nächsten fünf bis acht Jahre mehr oder weniger unfroh.

Die Düsseldorfer Symphoniker haben uns schon viele unvergessliche Abende beschert. Wie die vielen anderen Orchester in Deutschland sind sie ein Kulturerbe, um das uns die Welt beneidet.

(RP)
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