Holstein hört U2: "Achtung Baby" (Anniversary Edition)
Gab es das früher auch, dass in faster jeder Woche die Jubiläumsausgabe eines großen Albums aus der Rockgeschichte erscheint? An diesem Freitag kommen die "Smile Sessions" der Beach Boys und "Achtung Baby" von U2.
Beide Alben habe ich erst durch diese Ausgaben entdeckt. Von "Smile" kannte ich die Geschichten, den Mythos, nun weiß ich, dass die Platte gut klingt. Und mit U2 hatte ich nach "Joshua Tree" eigentlich abgeschlossen. In den 90er Jahren konnte ich nicht viel mit ihnen anfangen. Das waren die Rundum-Sonnenbrille von Bono und die Konzerte der viel zu großen "Zooropa"-Tour, die auf MTV immer dann gesendet wurden, wenn man eigentlich etwas anderes hören wollte.
Nun weiß ich also, dass "Achtung Baby" eine große Platte ist und "One" und "Mysterious Ways" tolle Songs sind. Und wenn man sie mit den neuen Stücken von Coldplay vergleicht, muss man anerkennen, wie mutig die Band war: stark veränderter Sound, viel Elektronik. Sie hatten ja damals etwa denselben Status wie Coldplay heute, befanden sich in einer vergleichbaren Phase der Karriere. Seit dem Konzert in Gelsenkirchen vor einem Jahr fasziniert mich U2: Wie sie das hinbekommen, 70000 Menschen mit nur drei Instrumenten vom ersten Moment an zu begeistern! Die Atmosphäre bei "Sunday Bloody Sunday"! Das können die: Music For The Masses.
Es gibt aber etwas, was sie nicht können. Der "Achtung Baby"-Edition liegt eine Bonus-CD bei, darauf findet man Raritäten und B-Seiten, darunter die Coverversion von "Paint It Black". Sie ist ganz fürchterlich. Bono singt es mit dieser leicht esoterischen Haltung, mit Friedensstifter-Geste. Aber "Paint It Black" muss man hinrotzen, man muss dabei tanzen wie Jimmy im Who-Film "Quadrophenia" (der übrigens auch gerade in einer Jubiläumsedition neu herausgebracht wird): abgehackt, wütend, bereit. "Paint It Black" konnte eigentlich nur Mick Jagger singen, damals.