In Damon Albarns Plattenladen

1. Woran ich merke, dass ich alt werde: Ich spreche in der dritten Person von mir. Abends: "Der Papa ist da!" Morgens: "Soll der Papa mal Brötchen holen?" Das kommt einfach so, dagegen kann ich nichts tun.2.

In London im Plattenladen gewesen, den Damon Albarn samt zugehörigem Label mit unterhält. "Honest Jon's" liegt in Notting Hill und ist ein Paradies. Nebenan ein spanischer Kaffeeladen, und die Atmosphäre ist wirklich ein bisschen wie im Film mit Julia Roberts – so ein klein bisschen, jedenfalls. Auf minimaler Fläche haben die alles, was man braucht in Soul/Funk, Jazz, House/Techno/Electronica und Exotica. Als ich dort war, stand ein duftes Team hinterm Tresen. Ein Mädchen, das aussah wie die Schwester von Hugh Grant in "Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Dazu ein Jüngling, der alles kannte, zu allem Tipps geben konnte, beide waren sehr nett. Da das Pfund sehr gut steht zum Plattenkaufen und dort alles sehr viel günstiger ausgepreist ist als bei uns, schlug ich groß zu. Zwei Vergleichsgrößen: die LP "On Jupiter" von Sun Ra, die ich hier noch nie für weniger als 19,90 Euro gesehen habe, kostete dort 11,99 Pfund. Umrechnen kann man fast 1:1. House-Maxis (hier im Schnitt 8,99 Euro) kosteten 5,99. Doof: In England ist es nicht üblich, Platten vorzuhören. Allerdings machten sie eine Ausnahme und spielten einige Sachen laut vor.

3. Die Platte, die David in der letzten Zeit am häufigsten aus dem Regal gezogen hat: "Halber Mensch" von den Einstürzenden Neubauten.

Lektüre: Heiner Müller, "Gespräche 3", Suhrkamp: "Kitsch leben ist doch viel schöner als Kitsch lesen."

Film: "Henners Traum" von Klaus Stern. Dokumentation über den Bürgermeister einer kleinen Stadt in Hessen, der das größte Ferien-Resort in Deutschlands plant. 5 Hotels, 4 Golfplätze, ein Hauch von Dornröschen. Alles ist auf dem Papier längst fertig, sogar Ministerpräsident Roland Koch ist an Bord, aber nun muss er Investoren suchen. So sieht man den Bürgermeister antichambrieren, jahrelang, in der Botschaft der Emirate etwa, in Cannes und Nizza. Ein toller Film, der zum einen zeigt, wie schwierig es ist, Träume zu verwirklichen, und zum anderen, wie unausstehlich Männer sind, die meinen, Großes zu bewirken. Am Ende stellt man sich die Frage, wer eigentlich Urlaub in der hessischen Provinz machen möchte.

Musik: Lerosa, "Minefield EP" (Real Soon). Es ist unglaublich mit diesem Mann, er wird immer besser. Das ist edelster Deep-House, diesmal wieder ein bisschen ruppiger, in einem Stück mit deutlicher Verbeugung von Kraftwerk. Einer der besten Produzenten derzeit.

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