Gewissensfrage eines Vaters

Du fütterst deinen sieben Monate alten Sohn. Er saß zuerst auf seinem Hochstuhl am Tisch. Das ging aber nicht mehr, weil er sich ständig mit den Füßen vom Tisch abgedrückt hat. Außerdem versuchte er hauptberuflich, an die Breischale zu kommen.

Irgendwie schaffte er das immer. Du hast versucht, seine Finger zu zählen. Du musstest jedes Mal bei 10 abbrechen. Aber er muss mehr haben. Sie sind überall. Und da müssen Saugnäpfe an den Kuppen sein oder so was Klebriges wie bei den Geckos. Jedenfalls kommt er immer überall hin mit den Fingern. Sie kippen um, schieben weg, werfen runter. Also bist du zum Füttern umgezogen.<br />
Er sitzt nun in der Wippe. Du sitzt davor, ein Bein unter der Wippe, damit sie nicht so stark wippt. Sie wippt aber dennoch. Und beim Wippen haut Dein Sohn unter die Breischale. Oder unter den Löffel, den Du soeben zu seinem Mund führst. Der Löffel war voll. Jetzt ist er leer. Und die Wippe voller Brei. Und die Kleidung Deines Sohnes. Und Deine auch. Der Mund Deines Sohnes hingegen ist sauber. Er ist geschlossen. Du denkst: einundzwanzig, zweiundzwanzig. Du denkst: Wenn ich ein großes Unternehmen leiten würde, ließe ich Job-Bewerber von der Personalabteilung nicht durchs Assessment-Center schleusen. Sondern einen Säugling füttern. Du denkst: Wer das schafft, ist belastbar.

Die Gewissensfrage lautet nun: Darf man in dieser Situation seinen Sohn mit Grimassen, Lautmalereien, Geräuschen und Affenbewegungen so sehr zum Lachen bringen, dass er den Mund öffnet? Darf man dann in den geöffneten Mund ganz fix einen gehäuften Löffel Brei schieben, obwohl der Mund zum Lachen geöffnet wurde und nicht zum Essen? Ist das nicht falsch, verwerflich und ein Verstoß gegen jede ethische Konvention?

Ich finde nicht.

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