Freunde treffen auf der Plattenbörse

Ich war wieder auf der Plattenbörse, und ich hatte danach zum ersten Mal kein schlechtes Gefühl. Ich ärgerte mich nicht über unterlassene Käufe, jedenfalls nicht so sehr wie sonst. Ich bereute keinen meinen getanen Käufe. Und ich hatte einiges von dem gefunden, was ich mir erhofft hatte.

Zunächst sah es aber nach einem Misserfolg aus. Ich traf nämlich mehrere Bekannte, und das ist der Horror. Die ersten beiden begrüßte ich noch, bisschen Smalltalk, dann weiter Platten suchen. Die anderen sah ich zwar. Ich tat aber so, als hätte ich sie nicht gesehen. Jeder Plausch geht von der Zeit ab, die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Ich verstehe auch nicht, wie man sich für den Gang zur Plattenbörse verabreden kann. Da wird der beste Freund zum Konkurrenten. Weitere Bekannte wimmelte ich so ab: "Bist Du auch noch länger hier? Ey, super! Dann lass uns nachher mal reden."

Zum ersten Mal feilschte ich erfolgreich. Bislang wurde ich immer übers Ohr gehauen. Bei einer mutmaßlich seltenen LP von Sun Ra, die ich lange gesucht hatte, war ich besonders erfolgreich. Ich schlich mich an. "Weißt Du, aus welcher Werkphase die stammt?", fragte ich den Händler. Ich tat doof. "Du, das ist eine Musik, mit der ich mich ehrlich gesagt gar nicht auskenne", sagte er. Er war nett. "Klar, macht nix. Geb ich dir einen Zehner?" "Nee, 15 sollten es schon sein." "12?" "Gebongt." Ich kramte mein Geld raus, da fragte der Händler den Kollegen vom Stand nebenan. "Rudi, weißt du was über diese Platte?" Und Rudi sagte: "Selten. Teuer." Mein Händler: "Uih!" Ich: "Ist jetzt aber gekauft." Er: "Glück gehabt."

An einem anderen Stand hörte ich die netteste und verzweifelste Händler-Ausrede ever. Ich wollte drei Maxis im Gesamtwert von 9 Euro für 5 Euro haben. Händler: "8!" Ich: "6". Er: "Aber ich habe sie zum ersten Mal auf eine Börse mitgebracht!". Ich: "Dann 7". Er: "Ok".

Am Ende stieß ich dann einen Kumpel vor den Kopf, glaube ich. Ich trug massenhaft Platten unter dem Arm. Und er war so nett, mir eine Plastiktüte anzubieten, die er von Zuhause mitgebracht hatte. Ich sagte: "Nee, danke. Ohne ist cooler." Das war sehr hart, zugegeben. Aber ich bin abergläubisch: Das ist wie Sekt mitbringen zur mündlichen Prüfung oder Sachen kaufen von dem Geld, das man möglicherweise von der Steuer erstattet bekommt. Man fordert das Schicksal heraus. Deshalb gebe ich mich demütig und trage meine Platten unterm Arm. Eben weil es beschwerlich ist.

Abgestaubt habe ich unter anderem:

- David Bowie & Pat Metheny "This is not America" (12")

- Talking Heads "More Songs about..." (LP)

- Larry Heard "Dance 2000 pt II" (LP)

- Miles Davis "Time after Time" (12")

- David Bowie "Low" (LP)

- Sandie Shaw "Hand in Glove" (12")

- David Bowie "Pin Ups" (LP)

- Cameo "Word up" (12")

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort