Fensterplatz
Sonntagnachmittags Bahn fahren. Regionalexpress nach Osnabrück. 20 Minuten Aufenthalt. Dann im IC nach Düsseldorf.
Die Werder-Fans am Gleis in die Gegenrichtung. Der Geruch in den Sitzen. Die Kabel, die sich aus den Ohrmuscheln der Menschen abseilen. Das einheitliche Summen, das von den verschiedenen Lieblingsmusiken der Mitfahrer übrig bleibt. Die toten Stätten vor den großen Städten: Textil-, Elektronik-, Heimtier- und Lidl-Märkte mit leeren Parkplätzen. Das verzweifelte und nutzlose Herumgucken und "Tsts"-Sagen der Mitreisenden, wenn der Zug auf offener Strecke hält. Akribische Schaffner. "Bahncard brauch ich nicht. Ich will die Bankcard sehen." "Ach so." Neben mir ein Mann mit Lederweste und mächtigen Händen. Er liest im Spiegel eine Geschichte über Ypsilanti und schüttelt den Kopf. Bei Obama nickt er. David muss immer lachen, wenn man die Hand über seine Augen legt, sie schnell wegzieht und "Ypsilanti!" ruft.
Schlafen geht nicht. "Noch Zugestiegene?" "Wir erreichen in Kürze Münster Hauptbahnhof. Sie haben Anschluss an die Züge." "Wir haben derzeit eine Verspätung von." "Unser Bordbistro empfiehlt heute." "Ich glaube, Sie sitzen auf meinem Platz." "Lesen Sie die Zeitung noch oder kann ich die haben?" Der Text über Bowie in Berlin in der FAS. Dort auch der Artikel über Schreikinder und das Portrait Gesine Schwans und ihres Mannes. In der SZ nachvollziehbare Schmähung di Caprios und Schlöndorffs Aufguss seiner lesenswerten Memoiren. In der WamS über Rainald Goetz und Cem Özdemir. "Best of Bowie" gehört und "Water Babies" von Miles Davis. Plötzlicher Heißhunger auf Spaghetti mit Pesto, dazu Cola.
Müdigkeit. Verlassene Wege ziehen am Fenster vorbei. Da würde man gern mal joggen. Leere Flächen mit ausgebrannten Autos. Da eine Disco eröffnen. Türme, die bei Bernd und Hilla Becher schöner aussehen. Frau vor mir telefoniert: "Ich fand's auch schön. Hallo? Hallo? Hörst Du mich noch? Hallo?" Sitznachbar packt Köstlichkeiten aus: Ritter Sport Vollnuss, Topfkuchen. Er isst mit Genuss. Wünsche mir, dass er etwas anbietet. Aber er ist vertieft ins Schlemmen. Er trinkt Wasser aus der Flasche, sagt beim Absetzen: "Aah." Erinnerungs-Fragmente. Zu Bundeswehr-Zeiten acht Stunden Bahnfahrt zur Kaserne, acht Stunden zurück. Die Vorfreude am Freitag, die Schwerfälligkeit am Sonntag: "Und, wie war das Wochenende?" "Zu kurz."
30 Minuten verspätet in Düsseldorf. Regen.