Matana Roberts "Coin Coin Chapter II: Mississippi Moonchile"

Düsseldorf · Wut ist nicht der schlechteste Antrieb für einen Künstler, und die 35 Jahre alte Saxofonistin Matana Roberts ist ganz offensichtlich ziemlich wütend. Obama, sagt die Jazzerin, die in Chicago zur Welt kam und nun in New York lebt, habe zwar vieles zum Guten verändert. Dennoch sei es immer noch problematisch, als schwarze Frau in Amerika zu leben; die Rassen- und Klassenunterschiede existierten nach wie vor. Und obwohl er ja noch regiert, spricht Roberts bereits von der Post-Obama-Periode.

 Matana Roberts: "Coin Coin Chapter II: Mississippi Moonchile"

Matana Roberts: "Coin Coin Chapter II: Mississippi Moonchile"

Foto: CD-Cover

Roberts veröffentlicht nun Essays zu diesem Thema, und weil sie keine Schriftstellerin ist, sondern Musikerin, kommen diese soziologischen, philosophischen und historischen Einlassungen nichts als Bücher, sondern auf Platte daher. Zwölf Alben will sie herausbringen; "Coin Coin" heißt die Reihe, und der Titel zitiert den Spitznamen von Marie Theres Metoyer, einer befreiten Sklavin im Louisiana des 18. Jahrhunderts. Sie gründete eine Gemeinschaft, in der Schwarze mehr Rechte hatten, eine Insel in der Wirklichkeit gewissermaßen.

"Coin Coin Chapter II: Mississippi Moonchile" ist soeben erschienen, und was man da hört, ist derart mitreißend und faszinierend, dass man sich bestätigt fühlt in seinem Glauben, es gebe auch heute noch Neues in der populären Musik. Roberts spricht von einem "sound quilt", vom Teppich aus Klang also, das trifft es gut. Sie spielt Altsaxofon, setzt es wie eine Stimme ein, erzählt damit, schreit bisweilen oder stört. Sie wird von ihrem Sextett unterstützt, es zitiert Spirituals und Gospels, breitet die Geschichte der schwarzen Musik aus, Südstaaten-Folk, Soul und Volkslied. Manchmal singt ein Operntenor, und an einer Stelle wird es still, da beginnt Roberts zu reden, es geht in der Ansprache um Sklavenversteigerungen und darum, was sich ändern muss. Wut wird konstruktiv. Die Platte besteht aus einem 49 Minuten langen Stück, frei improvisiert. Das ist keine leichte Kost, aber — ganz eigenartig — danach fühlt man sich frisch, bereit geradezu.

(RP)
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