Courtney Love kehrt zurück Hole: Nobody's Daughter

Hole ist eine Band und Courtney Love eine Berühmtheit, schrieb der Rolling Stone einmal und brachte die diffizile Gemengelage um den öffentlichen Stellenwert der US-Sängerin damit auf einen prägnanten Nenner. Dass Hole nie mehr vom Ruhm ihrer Person loskommen werden, ist jedoch längst nicht mehr Courtneys Problem (falls es je eines war).

Damit das gefühlte 50 Jahre nach "Live Through This" auch der letzte Seckel in Unteruhldingen kapiert, ist auf "Nobody's Daughter" kein einziges Mitglied mehr vertreten, das noch vor, äh, zwölf Jahren auf dem letzten Hole-Album "Celebrity Skin" zweite Geige spielen durfte. Klare Ansage.

Wenn sich diese Zielstrebigkeit doch auch mal auf die Musik übertragen würde, denkt man noch so bei sich, als der Titeltrack mit einer ordentlichen Gitarrenwand vorstellig wird. Äh, läuft da die falsche CD? Die Produktion ist ja so dick wie bei Green Day.

Ums vorweg zu sagen: Das bleibt auch so, steht den neuen Songs ausgezeichnet und schreibt Produzent Michael Beinhorn, der schon 1998 bei Hole (und seither auch mal bei Manson) am Mischpult stand, ein gutes Zeugnis aus.

Die Strophe des Openers fährt dann auf ein Akustikgitarren-Gerüst zurück und lässt einer erstaunlich melodisch und unhysterisch auftretenden Courtney Raum. Die führt ihre Mannschaft in einen atmosphärisch-düsteren Refrain, der seinen besonderen Reiz darin findet, dass Love ihre Stimme immer tiefer nach unten hinabdriften lässt.

Es folgt die breitbeinige Uptempo-Single "Skinny Little Bitch", schon vom Titel her ein atypischer Courtney-Fuck Off-Klopfer, in dem natürlich ausgiebig gefaucht und gekreischt werden darf. Erstaunlicherweise schaffte es der Song in den USA trotz Parental Advisory-verdächtigem Titel ins "Active Rock"-Format des dortigen Radioverbunds. Das bedeutet: Der Song läuft praktisch immer, wenn man drüben das Radio anstellt.

Schaffen Hole jetzt etwa den Durchbruch und werden voll berühmt? Also, für ihre Musik? Es ist dem Quartett zu wünschen, vor allem nach "Honey", das sämtliche Erinnerungen an jene melancholischen Hole-Momente zurückbringt, die so schön zwischen zerbrechlicher und kampfeslustiger Attitüde hin- und her pendelten.

Man weiß gar nicht, worüber man sich mehr wundern soll: Dass Bigmouth Courtney plötzlich wie aus dem Nichts mit großen (Stadion) Rock-Hymnen ums Eck kommt oder dass Ewig-Kollaborateur Billy Corgan bei keinem der genannten Tracks Hand anlegte, wo doch "Honey" sowas wie der beste Smashing Pumpkins-Song der letzten zehn Jahre geworden ist.

Stattdessen fährt Loves neuer Chef-Gitarrist Micko Larkin für die ersten drei Songs die Lorbeeren ein, der kaum älter ist als ihre Tochter und über den Love in Interviews gerne erzählt, er habe beim ersten Aufeinandertreffen "wie eine Brauerei" gestunken. Man war sich schnell sympathisch.

Beinahe wirkt es so, als ordneten sich die bekannten Songwriter dem neuen Dream Team unter. Corgan half beim süßlichen "Pacific Coast Highway" und dem in Tempo und Schnörkellosigkeit an Holes Riot-Roots erinnernden "Loser Dust" aus. Für das herrlich unbekümmert rockende "Samantha" holten sich Love und Corgan noch Allrounderin Linda Perry ins Boot (die einprägsame Hookline "People like you / fuck people like me / in order to avoid suffering" soll jedoch dem Kürbiskopf eingefallen sein).

Auch wenn die Drehzahl mal runtergeht, der Motor der One-Woman-Band verzeichnet auf "Nobody's Daughter" nur kurze Aussetzer. Die kitschigen Feuerzeug-Balladen "Letter To God" und "For Once In Your Life" tragen dick auf (Linda Perry again), gehörten aber auch schon immer irgendwie zum Love-Repertoire.

Wer sich an einer Hollywood-Big Screen-Produktion nicht stört, dem wird "Nobody's Daughter" Tränen in die Augen treiben. Mit dem abschließenden, rein akustischen "Never Go Hungry" bekommt man die 45-Jährige auch noch mal unplugged serviert.

Ohne den geschassten Eric Erlandson ("Der war eh nur an der Kohle interessiert", so Love) und Melissa Auf Der Maur ("Sie sah gut aus, konnte aber nicht wirklich gut Bass spielen") zu nahe treten zu wollen: Wer wem die Kippen im Gesicht ausdrückt, entscheidet immer noch Miss 100.000 Volt.

(laut.de)
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