Neues Stück „Herbert“ in Bochum Grönemeyer kehrt heim

Der Sänger arbeitet im Schauspielhaus Bochum an dem Stück „Herbert“. In dem Theater verdiente er als 15-Jähriger sein erstes Geld als Musiker.

 Herbert Grönemeyer bei seinem Auftritt im Mai 2003 im Bochumer Ruhrstadion. 

Herbert Grönemeyer bei seinem Auftritt im Mai 2003 im Bochumer Ruhrstadion. 

Foto: picture-alliance / dpa/dpa/Roland Weihrauch

Herbert Grönemeyer und Bochum – obwohl der 63-jährige Deutschrock-Barde seit den 1980er Jahren nicht mehr in der Ruhrgebietsstadt lebt, ist das eine heiße Liebesbeziehung. Es macht dort schnell die Runde, wenn er die Stadt, in der seine Mutter bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr gelebt hat und in der sein Bruder Dietrich ein Institut für Mikrotherapie betreibt, mal wieder besucht, wenn er zu vegetarischem Sushi und Apfelschorle in der Kneipen- und Restaurantmeile Bermuda-Dreieck eingekehrt ist. Wenn das örtliche Ruhrstadion auf seinen Tourneen außen vor bleibt, ist das ein Skandal. Und wenn er nach Jahrzehnten jetzt wieder an einer Produktion am Schauspielhaus Bochum mitwirkt, ist es eine Sensation. Die ist nun da: „Herbert“ soll sie heißen, Regie führt Herbert Fritsch, und am 21. März soll sie Premiere haben.

Am Schauspielhaus Bochum, da hatte alles angefangen. Schon Anfang der 1970er Jahre war man dort auf den jungen Mann aufmerksam geworden, der in Bands spielte seit er zwölf Jahre alt war. Mit 15 verdiente er am Theater im Schlepptau seines Schulfreundes Claude-Oliver Rudolph sein erstes Geld als Pianist. Von den 23 Semestern, die er als Student der Musik- und Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität eingeschrieben war, studierte er nur sechs. Den Rest der Zeit musizierte und schauspielte er auf der Bühne und im Fernsehen, arbeitete mit Peter Zadek, Pina Bausch und Jürgen Flimm. Bei den Dreharbeiten zu Flimms Film „Uns reicht das nicht“ lernte er seine spätere Frau kennen, die Schauspielerin Anna Henkel, der er erst das Lied „Anna“ und später, nach ihrem Tod, „Der Weg“ widmete.

„Anna“ war auf dem Album „Total egal“ (1982), dessen Titel die Aufmerksamkeit auf den Punkt bringt, die Grönemeyers erste drei Platten von Kritik und Publikum bekommen haben. „Der Weg“ hingegen befindet sich auf dem Album „Mensch“ (2002), mit dem er zum kommerziell erfolgreichsten deutsche Sänger aller Zeiten wurde.

Seinen Durchbruch schaffte Grönemeyer 1984 mit dem Album „4630 Bochum“. Das Lied „Bochum“ ist für die Menschen der Stadt bis heute identitätsstiftend. Die Fans des VfL Bochum singen es seit den 1990er Jahren vor jedem Spiel im Stadion, Erasmus-Studierende lernen seinen Refrain bevor sie „Hallo“ und „Auf Wiedersehen“ sagen können und tragen diese Botschaft in die Welt: „Bochum, ich komm‘ aus dir! Bochum, ich häng‘ an dir!“ Als Herbert Grönemeyer den Song schrieb, war er schon nach Köln gezogen, das erzählte er vor kurzem Christoph Amend für dessen Buch „Wie geht’s dir, Deutschland?“ Der Autor vermutet: „Manchmal braucht man Distanz, um zu verstehen, woher man kommt, wer man ist und warum.“

Der Wunsch nach Distanz wurde immer größer, nach Berlin und London trieb es den Sänger. Aber zuletzt lässt er sich wieder häufiger in der Heimat blicken. Wenn Herbert Grönemeyer heute zu öffentlichen Anlässen in Bochum erscheint – wie 2016 zur Eröffnung des Musikforums der Bochumer Symphoniker, für das er im Vorfeld mit einem großen Benefizkonzert Spenden gesammelt hatte –, dann muss man ihn irgendwann abschirmen. Sonst muss er hunderten Menschen erklären, warum er nicht ein Konzert zugunsten des örtlichen Rotarier-Clubs oder einer Kita-Gruppe in ihrer Garage spielen kann. Aber die Menschen verstehen das tatsächlich nicht: Er ist doch einer von ihnen – und gibt sich auch so.

Anders als bei Lutz Hübners „Bochum“, das 2013 unter Anselm Webers Intendanz zwei Duzend Songs von Grönemeyer zu einem ruhrpott-romantischen Singspiel verband, wird Grönemeyer an der Inszenierung „Herbert“ wirklich beteiligt sein und Proben besuchen. Seit Jahren ist er Fan des Berliner-Volksbühnen-Gewächses Herbert Fritsch, der erst als Schauspieler, dann als Regisseur („Murmel Murmel“) für Furore sorgte. Die beiden kennen sich auch persönlich, und Herbert Grönemeyer lässt verlauten: „Fritsch darf alles. Er darf mich zerlegen, zerfleddern, ohne Ehrfurcht, mit Witz. Wenn er mich dabei braucht, bin ich zur Stelle. Wenn nicht, bin ich einfach nur neugierig. Es lebe das Chaos, der Fritsch‘sche Wahnsinn.“

Herbert Fritsch, der bekannt ist für schrägen Humor, Slapstick und Musikalität in seinen Inszenierungen, wird den Abend mit einem Ensemble aus 15 Leuten gestalten – allerdings ohne Instrumente. „Eine Sprachoper für Kopf, Bauch, Stimmbänder, Zwerchfell und Gliedmaßen“, verkündet das Schauspielhaus, „für Chor, ohne Orchester. Kein Musical, ein Viewsical, vielleicht.“ Was immer die denglische Wortschöpfung auch bedeuten mag, klar ist: Auf die Bühne kommen „extended Hits“, also Hits in längeren oder anderen Versionen, und lyrische Raritäten aus Grönemeyers Feder, von Fritsch geformt zu neuen Klang- und Gesangserlebnissen.

Theater-Sprecher Alexander Kruse möchte sich zwar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber er lässt die Möglichkeit offen, dass Herbert Grönemeyer für den Abend auch neue Musik komponiert oder Texte schreibt. „Und wir gehen davon aus, dass er zur Premiere kommt.“

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