Streit um Heinos „deutschen Liederabend“ Er will doch nur singen

Analyse | Düsseldorf · Heino hat für die Düsseldorfer Tonhalle einen „deutschen Liederabend“ angekündigt. Diese Formulierung wollte der Intendant ändern. Jetzt hat sich der Oberbürgermeister auf Heinos Seite gestellt. Das ist bedenklich.

 Sänger Heino bei einem Auftritt (Archivfoto).

Sänger Heino bei einem Auftritt (Archivfoto).

Foto: dpa/Alexander Prautzsch

Heinz Georg Kramm haben wir viel zu verdanken, er ist ein feiner Künstler, viele mögen ihn, und zwar aus guten Gründen. Die musikalische Sozialisation vieler Menschen hat er als singender Animateur begleitet; wer Herrn Kramm oft im Fernsehen erlebt hat, konnte in früheren Jahren die gute alte „Mundorgel“ zuklappen, jene „Mao-Bibel“ des Liedgesangs, die oft an Lagerfeuern zum Einsatz kam, wo wir von Bolle unterwegs nach Pankow sangen.

Kramm, der irgendwann Heino hieß, nie Gesang studierte und trotzdem eine hörenswerte, nicht in allen Lagen tadellose, aber geschmackssicher eingesetzte Bassbariton-Stimme besitzt, hat schon früh auf anderes Repertoire abgehoben. Er hat Mozart und Bach vorgetragen, hat sich Pop und Rock genähert und seine Hits sogar im Metal-Stil zu Gehör gebracht. Man musste das nicht alles gut oder gar überzeugend finden, doch die Unerschütterlichkeit, mit der er bald auch in Sätteln saß, bei denen die Pferde eine Nummer zu groß oder zu wild für ihn waren, nötigte einem Respekt ab.

Geistig pausbäckig wirkte Heino nie, gegen die ideologische Vereinnahmung durch rechts denkende Vereinsmeier hat er sich tatkräftig gewehrt. Stets argumentierte er damit, dass manche Lieder nicht zwingend dadurch kontaminiert worden seien, dass sie in der Nazizeit eine Vitalisierung und geistige Umlenkung erlebt hätten. Andererseits gab und gibt es den „Schock der Wirkungsgeschichte“, wie der Literaturwissenschaftler Hermann Kurzke es einmal formulierte. Ein Lied an sich mag im Moment seines Entstehens unproblematisch sein. Aber es kann im Laufe der Zeit missbraucht werden – dann verliert es seine Unschuld. Auch Heino hat solche Lieder schon gesungen.

Kostenpflichtiger Inhalt Jetzt gibt es um ihn einen recht bizarren Streit, weil er ein Konzert im Oktober mit absolut unanstößigen Werken von Brahms, Beethoven und Schubert in der Düsseldorfer Tonhalle mit der Parole eines „deutschen Liederabends“ bewerben will. Das fand der Intendant des Konzerthauses, Michael Becker, nicht nur inhaltlich gefährlich (weil es möglicherweise ein problematisches Signal sendet), sondern auch sprachlich unsauber; einen „deutschen Liederabend“ könne es per Definition nicht geben.

Sogleich fühlten sich alle missverstanden, Heino und sein Management legten Beschwerde ein, und Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) hat zu Heinos Gunsten interveniert. Jetzt darf das Plakat gedruckt werden. Geht das in Ordnung?

Knifflige Materie. Jeder weiß ja, was Heino mit einem „deutschen Liederabend“ eigentlich gemeint hat. Womöglich liegt dem Einwand eine philologische Pingeligkeit zugrunde, eine sprachpflegerische Spitzfindigkeit. Andererseits dulden weder die deutsche Sprache noch die deutsche Geschichte irgendeine Schlampigkeit. Ein „deutscher Liederabend“ steht nicht auf gleicher Ebene mit der „deutschen Küche“, dem „Deutschen Schäferhund“ oder dem „deutschen Singspiel“ (wie Mozarts „Entführung aus dem Serail“). Wer jetzt argumentativ mit Hugo Wolfs „spanischem Liederbuch“ kommt, der übersieht, dass Wolf spanische, ins Deutsche übersetzte Gedichte vertont hat.

Bei Lichte besehen gibt es einen „deutschen Liederabend“ überhaupt nicht. Liederabende können lang sein, teuer, ausverkauft, mitreißend, aber unmöglich „deutsch“. Das Adjektiv funktioniert nicht. Hat man je von einem „finnischen Tangoabend“ gehört? Vielleicht ja, aber dann handelte es sich wohl um eine landsmannschaftliche Tradition, weil etwa in Finnland viel Tango getanzt wird und man sich einen „finnischen Abend“ (vorher Sauna, danach Dünnbier, am Ende Traurigkeit zum Akkordeon) sehr gut vorstellenkann.

Aber ein „deutscher Liederabend“ ist eine sehr unglückliche Wahl, weil es diese Tradition gar nicht gibt, es sei denn, es handelt sich um eine Tradition, die in gewissen Kreisen mehr oder weniger heimlich gepflegt wird und die mit dem Absingen einer bedenklichen ersten Strophe beschlossen wird.

Fraglos hat Heino all dies überhaupt nicht beabsichtigt, seine Erregung ist sogar verständlich, weil er sich in eine Ecke gedrängt fühlt, in der er sich gar nicht aufhält. Einen Lockreiz für gewisse Leute wollte er keinesfalls bieten; er will doch nur singen. Und recht hat er insofern, als die unkritischen Großmeister Brahms und Beethoven nicht vedächtig sind, für eine politische Richtung komponiert zu haben. Schubert indes schrieb deutsche Lieder, war aber Österreicher. Jedenfalls wäre es ein Akt der Klugheit gewesen, den Titel zu ändern. „Deutsche Lieder“: Das wäre musikgeschichtlich korrekt und beschriebe bei einem Konzert, das um 20 Uhr beginnt, alles, was beschrieben werden soll.

Beckers Vorschlag in diese Richtung war plausibel. Er hat sein Haus vor jedem falschen Klang zu schützen, der von Werbung ausgehen kann. Dass der Oberbürgermeister in diese ureigene Hoheit eingegriffen hat, mutet bedenklich an. Seine Intervention duldet nicht nur sprachliche Unschärfe, sondern auch die Beschädigung eines Amtes.

Was lernen wir? Es geht ja nicht darum, dass wir uns das Wort „deutsch“ vom Leib halten, sondern um eine Grauzonen-Semantik, die man nicht durch die Mitteilung tilgt, dass sie gar nicht gemeint war. Auf die vielen wunderschönen deutschen Lieder dürfen wir stolz sein, auf die vielen deutschen und deutschsprachigen Komponisten auch. Aber ein „deutscher Liederabend“ ist ein unschöner Ausrutscher.

Vielleicht ist in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesungen.

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