Gunter Gabriel † Im Herzen ein Cowboy
Hamburg · Erfolge, Abstürze, Comebacks: Gunter Gabriels Leben glich einer Achterbahnfahrt. "Geschieden, aber nicht gescheitert", stand an der Wand seines Hausboots. Am Donnerstag ist der 75-Jährige nach einem Wirbelbruch im Krankenhaus gestorben.
Die Gitarre war vielleicht seine größte Liebe. Die verdammte Klampfe habe ihn immer gerettet, sagte Gunter Gabriel einmal. Vor der Einsamkeit, vor der Depression, vor dem Totalabsturz. Vielleicht auch vor sich selbst. Denn Gabriel war einer, der alles hatte, aber nichts festhalten konnte. Oder wollte.
Er könne mit Glück nicht umgehen, hatte eine seiner vier Ex-Frauen einmal über ihn gesagt. Trotzdem hat es immer wieder Gabriels Gesellschaft gesucht, das Glück. Oder er hat es gepackt und nicht wieder gehen lassen. Denn Gabriel war einer, der sich nie aufgegeben hat, allen Widrigkeiten, Peinlichkeiten und Rückschlägen zum Trotz. Gekämpft hat er bis zuletzt, im Krankenhaus in Hannover, wo er nach einem Sturz mit gebrochenem Halswirbel lag. Am Donnerstag ist Gabriel mit 75 Jahren dort gestorben.
"Ich war oft ein Idiot"
"Ich hab mich im Chaos verlaufen, war oft genug ein Idiot, manchmal war ich blau wie der Ozean, manchmal sah ich einfach Rot", heißt es im Lied "Ich geb den Rest für Dich". Gabriel ging offen mit seinem Scheitern um, rechnete öffentlich mit sich selbst ab, ganz reuiger Sünder. "Sohn aus dem Volk" hieß das Album, so sah er sich auch, als Gleicher unter Gleichen, als Menschenfreund.
Mit Liedern wie "Er ist ein Kerl (Der 30 Tonner Diesel)", "Hey Boss, ich brauch mehr Geld" oder "Komm' unter meine Decke" war er in den 70er Jahren in den Hitparaden gelandet, der gelernte Maschinenschlosser aus Westfalen, und hatte Millionen verdient. Gabriel war die deutsche Antwort auf Johnny Cash, ein singender Cowboy, ein Mann mit großem Herz. Mit Geld konnte er aber genauso wenig umgehen wie mit Glück, es zerrann ihm zwischen den Fingern, ganz klischeehaft, für Autos, Motorräder, Frauen. Dazu wurde er nach eigener Aussage betrogen bei Immobiliengeschäften, um zehn Millionen Mark, sein ganzes Vermögen, einfach futsch. Es folgte, wieder Klischee: Alkohol, Affären, Absturz.
Hausboot statt Hitparade
Statt Hitparade hieß es bald Hausboot im Binnenhafen von Hamburg-Harburg. Dort lebte Gabriel, weil ihn die Schulden drückten — rund 500.000 Euro sollen es gewesen sein. Die arbeitete er ab, mit 500 Hauskonzerten für 1000 Euro pro Auftritt. "Meist haben mich die Frauen für ihre Männer gebucht. So nach dem Motto: Den Gabriel, den leisten wir uns mal", sagte er bei einer Begegnung. Gabriel, das Stehaufmännchen. Von ganz oben nach ganz unten und retour. Eine Geschichte wie in einem seiner Songs über Streuner, Outlaws und Verlorene.
Seine Neuerfindung, aber auch sein Nichtaufgebenwollen öffnete Türen, die längst zugefallen waren. Gunter Gabriel kehrte aus den Wohnzimmern zurück auf die größeren Bühnen, inszenierte sich als reifere Johnny-Cash-Variante, mit dem er, ganz nebenbei, 25 Jahre befreundet war und den er in Nashville mehrfach getroffen hatte. Ein Seelenverwandter, beide trugen gerne Schwarz. Und Cowboystiefel. Mit denen stände man anders im Leben, sagte er, fester, geerdeter.
Zotige Sprüche
Was nicht heißen soll, dass Gabriel nicht trotzdem immer wieder aus der Rolle fiel. Der Musiker provozierte mit zotigen Sprüchen, sorgte hier und da für Skandälchen. Zuletzt zog er ins RTL-Dschungelcamp, was nicht nur seine vier Kinder entsetzt haben soll. In der Show erwies sich Gabriel aber vor allem als müde und erwartungsgemäß dickfellig gegenüber Peinlichkeiten jeder Art. Aber es brachte ihn in Kontakt mit einer Zielgruppe, für die die Hitparade ein Relikt aus dem Pleistozän des Fernsehens ist.
Über den Tod hat Gunter Gabriel oft nachgedacht. Er glaube nicht an Gott, nach dem Ableben warte nur die Mülltonne. Einen Sarg oder eine Urne wolle er nicht hinterlassen, sagte er oft in Interviews. Er erlitt einen Herzinfarkt, hatte Schlaganfälle, war körperlich, obwohl ein Hüne, selten in guter Verfassung. Spuren eines Lebens, das wenig ausgelassen hat. Cashs Song "I Walk The Line" war sein Leitfaden. Auch Gabriel blieb immer auf Kurs, seinem eigenen, nur er und seine Gitarre.