Chefjuror bei „DSDS“ Der respektvolle Herr Silbereisen

Düsseldorf · Florian Silbereisen ersetzt Dieter Bohlen in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ mehr als respektabel. Auch als neuer „Traumschiff“-Kapitän schlägt sich der 40-jährige Niederbayer überraschend gut. Eine Ehrenrettung.

 Florian Silbereisen in seiner Rolle als „Traumschiff“-Kapitän Max Parger (Archivbild).

Florian Silbereisen in seiner Rolle als „Traumschiff“-Kapitän Max Parger (Archivbild).

Foto: dpa/Dirk Bartling

Es war eine Situation, in der Dieter Bohlen früher so oder ähnlich rumgeschimpft hätte: „Wie naiv bist du eigentlich, Schnuckelhase, dass du ein Lied in der falschen Tonlage anstimmst! Das hätte meine taube Oma besser gesungen.“

Hätte, wäre, könnte.

Nun jedoch leben wir im postbohlenianischen Zeitalter, das blonde Fallbeil köpft nicht mehr und rostet auf dem Altenteil vor sich hin. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ herrscht die neue Sensibilität, verbreitet sich Freundlichkeit selbst beim Rauswurf der Kandidaten; das Wesen der Empathie steht über allem. Florian Silbereisen ist jetzt der neue Oberjuror neben der Sängerin Ilse DeLange und dem Musikproduzenten Toby Gad.

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In diesem Trio ist Silbereisen mit 40 Jahren der Jüngste, aber seine Stimme ist beinahe die vom ­­Almöhi, leicht geht er als Senior durch. Und in der jüngsten Sendung war es beispielsweise dieser Moment des herzlichen Unterstützens der Sängerin Tukki Mohanamoorthy, die sich eine ungünstig tiefe Stimmlage ausgesucht hatte und dann von Toby Gad am Klavier eigenhändig etwas höher transponiert wurde. Herr Silbereisen hörte sich das mit einladender Zurückhaltung an und war sich danach sicher: „Ich möchte dir eine Chance geben.“ Am Ende reichte es zwar nicht für die junge Sängerin, doch Bohlen, wie gesagt hätte sie schon vorher abgeurteilt.

Silbereisen hilft gern über die Brücke, manchmal sogar zurück ins Leben. Er ist einer dieser Menschen, die ungern jemanden im Regen stehen lassen, auch wenn das bei einem Format wie „DSDS“ fast unmöglich ist. Aber selbst sein Nein hat eine Perspektive, erneute Begegnungen verhindert es nicht.

Gutmenschen wie Florian Silbereisen haben in der öffentlichen Meinung nicht die allerbesten Karten. Sie gelten als Weichlinge, als Softies, die sich vor Härte drücken und die klare Kante scheuen. Viele Leute machen Witze über ihn. Silbereisen erlebte dann auch einigen Spott, als das Schiff seines Lebens, die Liaison mit Helene Fischer, in Schräglage geriet und beider Trennung bekannt wurde. Silbereisen hatte hinterher das Kainszeichen zu tragen, nämlich sein Tattoo „der allerliebsten Helene“ auf dem Oberarm. Er ließ es sich nicht entfernen, nicht überstechen. Es blieb, wo es war. Das hätte nicht jeder getan.

Gewiss nutzt Silbereisen keine stumpfe Klinge, wenn es um sein eigenes Fortkommen geht. Doch seine Art, öffentlich mit Menschen und Dingen umzugehen, kündet von einer respektvollen Gesinnung, die ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Heutzutage bleiben die Sprücheklopfer, die Aasgeier, die Schreihälse in Erinnerung, nicht die Anhänger des Pianos. Im Gegensatz etwa zu Giovanni Zarrella, der im ZDF alles auf sehr italienische Art, mit äußerster Dynamik und „aus tiefstem Herzen“ ansagt, ist Silbereisen wohltuend zum Mezzoforte veranlagt.

Nun besteht kein Zweifel, dass es sich bei dem 1981 in Tiefenbach bei Passau geborenen Gesangskünstler, Moderator und Entertainer nicht um eine Lichtgestalt handelt. Andererseits ist die Zeit von Lichtgestalten vorbei. Vermutlich sehnen wir uns nach Promis, die nicht auf der Kippe leben und fortwährend vom Absturz bedroht sind. Florian Silbereisen ist einer, der nur selten – um es mit der Welt des Sports zu vergleichen – um die Champions League mitkickt, aber im oberen Mittelfeld schönen Fußball spielt, solide verteidigt, aufopferungsvoll Bälle schleppt und hie und da großartige Szenen im gegnerischen Strafraum hat. Der Unterschied: Silbereisen kennt gar keine Gegner. Für ihn ist es ein Sieg, wenn man harmonisch durch die 90 Minuten kommt.

90 Minuten dauern auch die „Traumschiff“-Folgen, in denen er als Nachfolger von Sascha Hehn den Kapitän namens Max Parger spielt – und auch hier darf man ohne Verbiegung der Bühnenwahrheit sagen: Es gibt deutlich schlechtere Mimen. Wenn man Silbereisen auf der Brücke neben den Kollegen Harald Schmidt, Collien Ulmen-Fernandez und Barbara Wussow stehen und agieren sieht, die schauspielerisch nun denn doch eher Bezirksliga sind, nimmt man Qualitätsunterschiede deutlich wahr. Ja, in den jüngsten Folgen gab es, obwohl sie durch dramaturgisch seichtestes Gewässer schipperten, gerade bei Silbereisen Momente der mimischen Differenzierung, die dem aufmerksamen Zuschauer im Gedächtnis blieben. Auf dem linken Unterarm prangt ja sowieso ein neues Tattoo, das seine Leidenschaft für die korrekte Navigation verbildlicht: ein Kompass.

Wie immer ist alles also eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Das Burgtheater in Wien würde Florian Silbereisen niemals engagieren – aber ums Burgtheater geht es auch gar nicht. Der gehobene Durchschnitt ist manchmal besser, als viele glauben. Auch der Volksmusikant und Herzensdarsteller Silbereisen ist in seinen vielen guten Momenten ein Edelmetall.

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