Peter Urban hört auf Die ESC-Stimme, die immer schon da war

Hamburg · Seit 1997 kommentiert Peter Urban im deutschen Fernsehen den Eurovision Song Contest. 2023 wird er es zum letzten Mal tun. Von einem, der irgendwie immer schon dabei war und durch puren Zufall zum Kult wurde. Eine Würdigung.

Peter Urban: ESC-Kommentator aus Deutschland im Porträt
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Peter Urban – das ist die deutsche ESC-Stimme

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Foto: dpa/Christian Charisius

Meine erste Erinnerung an den ESC stammt aus dem Jahr 1998. Ich, noch nicht ganz sieben Jahre alt, schaue gebannt auf den Bildschirm und beobachte wie ein lustiger Mann mit Halbglatze und langen Haaren „Guildo hat euch lieb“ singt und währenddessen einem Zuschauer in der ersten Reihe über den Kopf streichelt. Was ich nicht erinnere, aber heute bei Youtube nachvollziehen kann, ist die markante Stimme, die vor dem Auftritt aus dem Hintergrund zu hören ist: „Noch nie hat ein Sänger beim Grand Prix während des Auftritts die Bühne verlassen. Ich komme schon ins Stottern, so aufgeregt ist man.“ Es ist die Stimme von Peter Urban.

Es ist nur eine kleine Anekdote dazu, wie lange Peter Urban schon dabei ist. Er hat bereits in einer Zeit den ESC kommentiert, als dieser in Deutschland noch als „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ bekannt ist, Ralph Siegel ein Abo auf die Teilnahme und das simple Verlassen der Bühne zwischen all den brav vorgetragenen Schlagern etwas beinahe Obszönes hat. 1997 hat der 74-Jährige zum ersten Mal den Musikwettbewerb kommentiert, 2023 wird er es zum letzten Mal tun. Das teilte der NDR am Mittwoch mit.

Urban war immer da. Fast wie die Eurovisionshymne. Bei den erfolgreichen Auftritten von Guildo Horn und dessen damaligem Komponisten Stefan Raab genauso wie beim ESC-Sieg der völlig unbekannten Lena Meyer-Landrut, den er mit frisch operierter Hüfte feierte. Viel häufiger musste er zuletzt allerdings die richtigen Worte finden, nachdem der deutsche Beitrag mal wieder auf einem der letzten Plätze landete. Immer schon gab es viele verschiedene Meinungen zu den, teils ein wenig aus der Zeit gefallenen, Kommentaren Urbans. Richtig kalt lässt sein Abschied aber niemanden, der sich jemals auch nur ein wenig mit dem ESC beschäftigt hat.

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Peter Urbans Höhepunkte aus 25 Jahren ESC

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Dabei war ein solchen Kultstatus nie vorgesehen. „Ich bin damals dazu gekommen, wie die Jungfrau zum Kind“, sagte Urban vor zwei Jahren im Interview mit unserer Redaktion. Die Musik beim Grand Prix hatte nicht ganz zu dem gepasst, was er als Radio-Moderator sonst so auflegte. Ihn reizte viel mehr, dass er endlich mal so etwas Ähnliches wie ein Sportereignis kommentieren durfte. „Die Hauptsache ist aber der Live-Charakter, das Spannende, das Ungewisse und dass man auch mal sehr skurrile und lustige Sachen kommentieren kann“, sagte Urban. Die Musik, immerhin, sei über die Zeit viel besser geworden.

Es waren vor allem seine Sprüche, die Urban in Deutschland populär machten. Die spontan wirkten, es aber meist nicht waren. Und dennoch manchmal auch danebengingen. Wenn er beispielsweise nach der Darbietung einer übergewichtigen maltesischen Sängerin von einem „sehr runden Auftritt“ sprach. Oder einen Auftritt schon schlecht redete, bevor sich die Zuschauer selbst ein Bild machen konnten. Manchmal tat ihm das dann später Leid.

Auch wenn Peter Urban beim diesjährigen ESC in Liverpool schon 75 Jahre alt sein wird, so richtig deutete sich sein Abschied bis zuletzt nicht an. „Natürlich werde ich irgendwann aufhören, aber das ist ja kein Stress, das zu machen. Andere Leute haben Königshochzeiten bis ins hohe Alter kommentiert. Das werde ich schon hinkriegen“, hat er vor zwei Jahren noch im Interview gesagt.

Einmal darf Urban jetzt noch ran und das vor Ort in Liverpool, nachdem er die vergangenen beiden Jahre Pandemie-bedingt nur aus Hamburg kommentiert hatte. Dass er den 13. Mai, den Tag des Finales, ganz entspannt angehen kann, liegt auch an der Fifa und dem HSV. Oft fielen der ESC und der letzten Bundesliga-Spieltag auf das gleiche Datum. Dann musste sich Fußball-Fan Urban zwischen Abstiegskampf, Meisterfeier und Abend-Vorbereitung entscheiden. In diesem Jahr endet die Saison wegen der Winter-WM in Katar erst zwei Wochen nach dem ESC. Sein Hamburger Herzensverein spielt ohnehin schon längst nicht mehr erstklassig.

Über Urbans Nachfolge ist noch nichts bekannt. Der Fokus liegt jetzt erst einmal auf seinem letzten Mal. Dass er dabei auch noch mit Lord of the Lost erstmals eine deutsche Rock-Band kommentieren darf, zeigt, dass sich auch die so Änderungs-resistente deutsche ESC-Welt langsam weiterdreht. Wer danach Urbans Sprüche vermisst, dem bleibt nur noch der Blick ins Youtube-Archiv.

„Jetzt ist es so weit, der Meister kommt“, hat Urban damals über Guildo Horn gesagt. 2023 wird es heißen: Der Meister geht.

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