Eurovision Song Contest 2019 Musik schlägt Inszenierung

Tel Aviv · Der Niederländer Duncan Laurence gewinnt den ESC 2019 im israelischen Tel Aviv. Das ist ebenso verdient wie der drittletzte Platz der deutschen „S!sters“. Die Analyse einer Show voller Widersprüche.

Duncan Laurence aus den Niederlanden, Gewinner des Eurovision Song Contest (ESC) 2019.

Duncan Laurence aus den Niederlanden, Gewinner des Eurovision Song Contest (ESC) 2019.

Foto: dpa/Sebastian Scheiner

Am Ende steht Duncan Laurence auf der Bühne und lacht. Er hält seine Trophäe in die Kamera und sagt: „This is to music first - always“. Es geht vor allem um die Musik. Und er hat recht. Sein Sieg beim Eurovision Song Contest 2019 ist auch ein Sieg der Musik.

In einer Show voller Inszenierungen sitzt Laurence einfach am Klavier und singt. Von Liebe und Verlust. So schön, dass er schon Wochen vor dem Finale als größter Favorit gehandelt wird. So reduziert tritt sonst nur das slowenische Duo Zala Gralj und Gasper Santl („Sebi“) auf. Doch Duncan hat das deutlich eingängigere Lied und siegt verdient vor dem Italiener Mahmood („Soldi“) und dem Russen Sergey Lazarev („Scream“).

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Foto: dpa/Martin Meissner

Es ist ein Abend der Männer. Im Kontrast zur Vorjahressiegerin Netta, die mit „Toy“ den Soundtrack zur „Me too“-Debatte lieferte, finden sich unter den ersten sieben Sängern sechs Männer. An ihnen scheitert auch die hochgewettete Australierin Kate Miller-Heidke. Ihr „Zero Gravity“ lebt von der großen Inszenierung. Miller-Heidke schwebt auf einer meterhohen Stange im „Weltraum“ und singt ein Lied zwischen Oper und Trash. Radiotauglich ist das nicht. Die zugegebenermaßen großartig-verrückte Inszenierung reicht an diesem Abend nur zu Platz neun.

Zur Geschichte dieses ESC gehört allerdings auch, dass sich das Fernsehpublikum mehrheitlich für einen Partysong entscheidet. „Spirit in the Sky“, heißt der Mitsing-Hit des Jahrgangs. Die Norweger Keiino tragen ihn vor und wirken dabei wie Gäste aus den Neunzigern. Ihr Up-Tempo-Beat mit samischer Gesangseinlage gewinnt überraschend die Telefonabstimmung. Bei den Jurys fällt der Auftritt allerdings durch, wird 15. Einen Publikumssieger, der von den Jurys so missachtet wird, gab es in Zeiten der zweigeteilten Abstimmung noch nie. Es wird für erneute Diskussionen über den Modus sorgen. Am Ende werden Keiino Fünfter.

Das Gegenteil widerfährt dem Schweden John Lundvik („Too late for Love“) und der Nordmazedonierin Tamara Todevska („Proud“). Sie gewinnen bei den Jurys mit starken Stimmen und großer Inszenierung. Vor allem die hohe Punktzahl für Todevskas Ballade überrascht. Beim Publikum kommen beide Jury-Favoriten deutlich weniger gut an. Mitfavorit Lundvik entgleiten bei der Punkte-Bekanntgabe vor Enttäuschung die Gesichtszüge. Er wird insgesamt Sechster, Todevska Achte.

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Madonna legt düsteren Auftritt in Israel hin

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Foto: AFP/ORIT PNINI

Das deutsche Duo S!sters hat mit dem Ausgang des Abends erwartungsgemäß nichts zu tun. Und das zurecht. Ihr Beitrag „Sister“ ist so schnell gehört wie vergessen. Auch die Inszenierung mit den überdimensionierten Gesichtern der Sängerinnen Laura Kästel und Carlotta Truman erschließt sich nicht. Die positive Botschaft des Liedes über die Stärke von Frauen versandet im Nirgendwo. Der Beitrag bekommt vom Publikum die Höchststrafe: Null Punkte. Lediglich einige wenige Jurys finden Gefallen daran und retten Deutschland auf den drittletzten Platz - vor Weißrussland und Großbritannien. Es ist das dritte Katastrophen-Ergebnis der letzten vier Jahre. Michael Schultes vierter Platz 2018 bleibt ein Ausrutscher nach oben.

Besonders bitter ist das deutsche Ergebnis beim Blick auf einen südlichen Nachbarn. Ebenso wie Deutschland setzte die Schweiz auf einen Ex-Castingshow-Teilnehmer. Luca Hänni gewann 2012 „Deutschland sucht den Superstar“ und überzeugt in Tel Aviv mit „She Got Me“, einem radiotauglichen Sommerhit. Der noch dann gespielt wird, wenn die „S!sters“ längst vergessen sein werden. Schade, dass der NDR ausgerechnet diesen Ex-„Superstar“ nicht selbst ausgegraben hat.

Was bleibt sonst von diesem 64. Eurovision Song Contest? Ein Israel, das sich als grandioser Gastgeber präsentiert hat. Eine Finalshow mit großen ESC-Stars und US-Superstar Madonna, deren Auftritt jedoch unterkühlt blieb. Dazu ein absolut begeisterungsfähiges Publikum. Schon zu den Halbfinals strömten Zehntausende zum Public Viewing an die Mittelmeerküste. Überall in der Stadt waren die Lieder der 41 Teilnehmer zu hören. Selten zelebrierte ein Land den ESC so sehr wie Israel.

Ebenfalls in Erinnerung bleibt der isländische Beitrag „Hatrid mun sigra “ (dt. Hass muss siegen) der Band Hatari. Und das nicht nur wegen ihres schrillen Auftritts, bei dem sie Europa in Fetisch-Klamotten ihre Botschaft entgegenbrüllten. Die Isländer posierten bei der Punktevergabe mit „Palästina“-Schals und lieferten den politischen Skandal des Abends. Das war nach den israelkritischen Äußerungen der Band erwartbar. Ihre Provokation gelang, das Hallenpublikum buhte sie aus. Es war jedoch nicht mehr als die plumpe Fußnote des Abends.

Sie zeigt jedoch, dass es eben kein ganz normaler ESC war, den Israel da ausgerichtet hat. Gänzlich unpolitisch war der Wettbewerb trotz aller Bekenntnisse nie. Der Nahostkonflikt spielte eine Rolle. Sei es als Boykottgrund oder aus Sicherheitsaspekten. Die Gastgeber antworten musikalisch. Kobi Marimi singt in „Home“ davon, nach Hause zu kommen. Er rührt ein gebeuteltes Land und sich selbst zu Tränen. Sein 23. Platz wird zur reinen Nebensache. Es passt zu einem Abend, an dem die Musik die Inszenierung schlägt.

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Nach Madonnas Auftritt bleiben ein paar Fragezeichen

(veröffentlicht am 19. Mai 2019)

Politik soll beim Eurovision Song Contest (ESC) eigentlich außen vor bleiben - beim diesjährigen Wettbewerb in Israel hat dies allerdings nicht ganz geklappt. Beim Auftritt von Weltstar Madonna in der Halbzeit des ESC-Finales in Tel Aviv trugen zwei ihrer Tänzer am Samstagabend jeweils eine israelische Flagge und eine palästinensische Fahne auf ihrem Rücken, was als Appell für ein friedliches Nebeneinander von Israelis und Palästinensern verstanden werden könnte.

Madonnas neuer Song „Future“, den sie als Weltpremiere aufführte, beschwört eine düstere Zukunft mit zerstörten Städten. „Wake up“, steht am Ende an der Wand: Wacht auf. Große Emotionen löste sie damit beim Publikum in der Halle offenbar nicht aus. Zuvor hatte die 60-Jährige ihren 30 Jahre alten Hit „Like a Prayer“ gesungen. Die Performance ging allerdings leicht daneben. Madonna verfehlte mehrfach den Ton, über weite Strecken klang ihr Gesang recht schief.

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Tel Aviv - Ein Streifzug durch die ESC-Stadt 2019

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Foto: dpa-tmn/Philipp Laage

Die Europäische Rundfunkunion, die den ESC organisiert, verurteilte zudem das politische Statement. Dieses Performance-Element sei "nicht Teil der Proben" gewesen, hieß es in einer Stellungnahme. "Der Eurovision Song Contest ist ein unpolitisches Ereignis und Madonna war darüber informiert worden." Ob die US-Sängerin von der Darstellung der Flaggen während ihres Auftritts wusste, blieb unklar. Kritik von der Europäischen Rundfunkunion erntete auch die isländische Band Hataris, die während der Punktevergabe Schals mit der Palästinenserflagge trugen.

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Niederlande gewinnen ESC 2019 - Deutschland auf Platz 24

(veröffentlicht am 19. Mai 2019)

Die Niederlande haben den 64. Eurovision Song Contest gewonnen, Deutschland landete auf Platz 24. Die Kandidatinnen des Duos S!sters („Sister“) setzten damit die deutsche Misserfolgsserie fort, die nur im letzten Jahr unterbrochen wurde, als Michael Schulte überraschend auf Platz vier kam. Für die Niederlande ist es der fünfte Sieg - zuletzt gewann das Land 1975.

Der 25-jährige Duncan Laurence traf mit „Arcade“ den Geschmack des Publikums und der Jury. Der Niederländer sang am Piano sitzend eine berührende Ballade über die schmerzhaften Seiten der Liebe und ein gebrochenes Herz. Auf Rang zwei schaffte es Italien. Russland landete auf dem dritten Platz.

Madonna sorgte mit ihrem bis vor wenigen Tagen noch auf der Kippe stehenden Auftritt während der Abstimmungspause für Entzückung bei den Zuschauern. Die Pop-Ikone sang - etwas schief - ihren Hit „Like a Prayer“ umgeben von Kutte tragenden Statisten. Danach präsentierte die Amerikanerin mit dem US-Rapper Quavo den nach Jamaika und Dancehall klingenden neuen Song „Future“.

26 Lieder konkurrierten beim Finale. Zum fünften Mal war das ferne Australien als Ehrengast dabei, weil es dort viele Fans der Show gibt. Insgesamt nahmen am ESC in diesem Jahr 41 Länder teil. 15 Beiträge wurden in den beiden Semifinals (Halbfinals) aussortiert.

Neben Deutschland sind als große Geldgeber automatisch Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien fürs Finale gesetzt, ebenso der Gastgeber, also diesmal Israel. Deutschland hat bisher zweimal den ESCgewonnen: 2010 mit Lena und 1982 mit Nicole.

Der Eurovision Song Contest fand in Tel Aviv statt, weil die israelische Sängerin Netta Barzilai im vergangenen Jahr mit ihrem Song „Toy“ gesiegt hatte.

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Deutsche Fans zufrieden nach S!sters-Auftritt

(veröffentlicht am 18. Mai)

Deutsche Fans haben sich zufrieden nach dem Auftritt des deutschen Beitrags S!sters („Sister“) beim Eurovision Song Contest in Tel Aviv gezeigt. „Ich hatte den Eindruck, das war ein ganz toller Auftritt“, sagte Michael Sonneck, Präsident des Eurovision Club Germany, am Samstag in Tel Aviv. Auch Wolfgang Grube, Sprecher des deutschen OGAE-Fanclubs, lobte: „Die Mädels waren heute ganz prima, die haben ihre Sache gut gemacht.“

Grube schätzte allerdings, dass Deutschland nur zwischen dem 20. und dem letzten Platz landen werde. Problematisch sei einfach gewesen, dass das Lied an sich nicht so authentisch rüberkomme - als „wenn echte Schwestern den Song geschrieben hätten“. Stattdessen waren Laurita Spinelli (26) aus Wiesbaden und Carlotta Truman (19) aus Hannover für die ESC-Teilnahme gecastet worden. In dem Lied geht es um den Zusammenhalt zwischen Frauen und welche Kraft daraus erwachsen kann.

Deutschland hat den Eurovision Song Contest bisher zwei Mal gewonnen: 1982 mit Nicole („Ein bisschen Frieden“) und 2010 mit Lena Meyer-Landrut („Satellite“). Im vergangenen Jahr hatte Michael Schulte („You let me walk alone“) den vierten Platz erobert.

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Kraftvoll, schrill, bunt - das Finale des Eurovision Song Contests

(veröffentlicht am 18. Mai)

Das Finale des 64. Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv hat begonnen mit dem Einzug der Kandidaten. Fans aus der ganzen Welt fiebern den Auftritten ihrer Favoriten entgegen. Geschätzt sind 200 Millionen TV-Zuschauer sind dabei.

Für Deutschland singt das Duo S!sters den Song „Sister“ auf der großen Bühne in der israelischen Mittelmeer-Stadt. Das deutsche Duo tritt mit der Startnummer vier von 26 Finalteilnehmern auf und hat seinen Auftritt bereits hinter sich.

Dunkel gekleidet bewegten sich Carlotta Truman (19) aus Hannover und Laurita Spinelli (26) aus Wiesbaden über die Bühne. Im Bühnenhintergrund waren während des minimalistisch gehaltenen Auftritts Porträts der beiden Sängerinnen groß zu sehen. Erst am Ende gab es einen Funkenregen und zwei erleichterte, sich freuende Interpretinnen.

Niederlande ist Favorit

Kraftvolle Stimmen, schrille Kostüme, vom Sado-Maso-Outfit über Dirty Dancing bis zur schwebenden Opernsängerin ist alles dabei. Moderiert wird das Finale unter anderem von dem israelischen Supermodel Bar Refaeli. Pop-Ikone Madonna wird ebenfalls auftreten, freilich außer Konkurrenz. Sie wird laut Medienberichten ihren 80er-Jahre-Hit „Like a Prayer“ und als Weltpremiere den neuen Song „Future“ aufführen.

Bei den Buchmachern wird der Niederländer Duncan Laurence mit seiner melancholischen Ballade „Arcade“ als Favorit gehandelt. Die Wett-Profis sahen zuletzt den Song „Zero Gravitiy“ der Sängerin Kate Miller Heidke aus Australien auf der Zwei.

Deutschland hat den Eurovision Song Contest bisher zweimal gewonnen: 1982 mit Nicole („Ein bisschen Frieden“) und 2010 mit Lena („Satellite“). Im vergangenen Jahr kam Deutschland auf Platz vier mit Michael Schulte („You Let Me Walk Alone“).

Neben den Zuschauern stimmen auch nationale Fachjurys aus Sängern und Komponisten über die Beiträge ab. Am Ende gewinnt der Song mit den meisten Punkten. Zuschauer können per Telefon, SMS und App ihre Stimme abgeben.

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Wetten, es wird ein Mann?!

(veröffentlicht am 17. Mai)

Der 64. Eurovision Song Contest nähert sich seinem Finale am Samstagabend. 26 Teilnehmer haben sich qualifiziert und kämpfen um Europas Musikkrone. Bei der ersten Generalprobe am Freitagnachmittag wurde erstmals die gesamte Show gezeigt. Es wird stimmungsvoll, skurril und vor allem spannend. Eine Vorschau in Superlativen.

Die Politischsten

Hatari haben ihre Outfits nach dem Halbfinale entschärft. Statt in Lack und Leder treten die Isländer zumindest in der Generalprobe in Trainingsanzügen auf. Skurril bleibt ihr Song „Hatrid mun sigra“ („Hass muss siegen“) dennoch. Harte Klänge, verzerrte Stimmen. Außerhalb der Bühne treten die Künstler als antikapitalistische Protestler auf und üben öffentlich Kritik am Gastgeberland Israel.

Die Mutigsten

Den mutigsten Auftritt legen in diesem Jahr Zala Gralj und Gasper Santl hin. Und zwar wegen all dem, was die Slowenen nicht tun. Kein Feuerwerk, keine Zuschaueransprache, kein schneller Beat – nur Musik. Mit ihrem Electropopsong „Sebi“ schaffen sie eine ungewohnte Intimität.

Die ESC-Tauglichsten

Die Neunziger sind zurück. Norwegens Keiino laden zu Up-Tempo-Beat und Ethno-Gesangseinlage. Das ist überhaupt nicht innovativ und klingt ein wenig nach Rednex.

Der Radiotauglichste

Der Schweizer Luca Hänni weiß, wie es geht. Immerhin hat er 2012 „Deutschland sucht den Superstar“ gewonnen. In Tel Aviv singt und tanzt er und sorgt dabei für beste Unterhaltung. Sollte es nicht zum ESC-Erfolg reichen, kann „She Got Me“ dennoch zum Hit des Sommers werden.

Der Gefühlvollste

Kobi Marimi tritt für Israel an und bietet großes Gefühlskino. Er singt in seiner Ballade „Home“ davon, nach Hause zu kommen. Am Ende der Generalprobe kann Kobi seine Tränen kaum unterdrücken. Damit singt er sich nicht zum nächsten ESC-Sieg, aber in die Herzen Israels.

Die Kitschigste

Leonora hat etwas von Deutschlands erster ESC-Gewinnerin Nicole. Die Dänin hat zwar keine Gitarre, klettert aber dafür auf eine Leiter. Doch ihr Song „Love is forever“ ist so zuckersüß und kitschig wie „Ein bisschen Frieden“ damals. Und natürlich bleibt auch Leonora nicht bei einer Sprache. Am Ende übermittelt sie ihre Liebesbotschaft sogar ein wenig krumm auf Deutsch: „Liebe ist für alle da“.

Der Schrillste

Bilal Hassani betritt die Bühne im bauchfreien Glitzeroutfit. Begleitet wird der Franzose von einer propperen Balletttänzerin. Der 19-Jährige ist bewusst anders. Sein Popsong „Roj“ steht für Toleranz und Offenheit. Seine Stimme lässt ihn aber im Stich.

Die Schwindelfreieste

Die spektakulärste Bühnenshow bietet dieses Jahr Australien. Sängerin Katie Miller-Heidke befindet sich mit ihren beiden Tänzerinnen meterhoch über der Bühne. Passend zum Songtitel „Zero Gravity“ („Keine Schwerkraft“) „schwebt“ sie an einer Stange durchs Weltall. Das Gesamtkunstwerk liegt irgendwo zwischen Oper und Pop und hat sich zum Geheimfavoriten gemausert.

Der Glücklichste

Es war die wohl größte Überraschung im Halbfinale: Bei seiner zweiten Teilnahme für den Zwergstaat San Marino erreicht Serhat mit „Say Na Na Na“ das Finale. Zwar sind seine Gesangskünste so mäßig, dass er sich meist durch seine Disconummer spricht. Fürs Finale und einen gewissen Kultfaktor reicht es dennoch. Das ist für San Marino schon mal nicht schlecht.

Die Besten

Wer gewinnt? Die Generalprobe lässt vermuten: Es wird ein Mann. Top-Favorit Duncan Laurence (Niederlande) muss sich vor allem vor John Lundvik (Schweden) und Mahmood (Italien) in Acht nehmen. Alle drei überzeugen mit starken Auftritten. So wird es wohl zur Stilfrage. Wer es reduziert und gefühlvoll mag, der wählt Laurences Ballade „Arcade“. Wer die perfekte Inszenierung liebt, der neigt wohl eher zu Lundviks „Too Late for Love“. Mahmood liefert mit „Soldi“ den modernsten der drei Songs. Der wurde auch auf der Plattform Spotify am häufigsten abgerufen.

Und Deutschland?

Carlotta Truman und Laurita Spinelli singen als S!sters mit Startnummer 4 in „Sister“ über Schwesterliebe. Sie wollen für mehr Solidarität unter Frauen werben. Und die werden sie wohl brauchen. Die Buchmacher sehen Deutschland auf dem letzten Platz.

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So lief das zweite Halbfinale

(veröffentlicht am 17. Mai)

Die Schweiz hat es ins Finale des Eurovision Song Contest in Tel Aviv geschafft. Österreich schied dagegen am Donnerstag im zweiten Halbfinale aus. Auch einige Favoriten sind immer noch im Rennen.

Die Niederlande, Schweden und Russland, die zu den Favoriten zählen, schafften ebenfalls den Sprung ins Finale. Mit ihnen wetteifern werden unter anderem Nordmazedonien, Albanien, Aserbaidschan, Dänemark, Norwegen und Malta. Dagegen wurden Armenien, Irland, Moldau, Lettland, Litauen, Kroatien und Rumänien nicht für das Finale am Samstag ausgewählt, bei dem insgesamt 26 Länder antreten.

Moderiert wurde das zweite Halbfinale auf dem Expo-Gelände im Norden Tel Avivs unter anderem von dem israelischen Supermodel Bar Refaeli. Ein Auftritt der israelischen Band Schalva, deren Mitglieder junge Menschen mit verschiedenen Behinderungen sind, sorgte beim Publikum für Begeisterung.

Beim ersten Halbfinale am Dienstag waren die Tschechische Republik, Griechenland, Weißrussland, Serbien, Zypern, Estland, Australien, Island, San Marino und Slowenien ausgewählt worden.

Weil Deutschland zu den großen Geldgebern der Eurovision gehört, ist das deutsche Duo S!sters automatisch für das Finale am Samstag gesetzt. Dies gilt auch für Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien sowie Israel als Gastland.

Der ESC-Kommentator Peter Urban verteidigte die deutschen Sängerinnen und ihren Titel „Sister“ am Donnerstag gegen Kritik. Carlotta Truman (19) und Laurita Spinelli (26) hätten sich bei Pressekonferenzen in Tel Aviv „ganz großartig“ präsentiert, sagte er dem „Münchner Merkur“. Urban betonte: „Laurita und Carlotta sind die Richtigen, sie interpretieren diesen Titel ganz hervorragend.“

Auch US-Megastar Madonna wird beim Finale auftreten, wie die Veranstalter am Donnerstag bestätigten. Bis zuletzt hatte Ungewissheit geherrscht, ob es wirklich zu dem Auftritt - außer Konkurrenz - kommt. Die 60-Jährige unterzeichnete erst in letzter Minute den notwendigen Vertrag, wie der für die Übertragung verantwortliche Sender Kan bestätigte. Die Unterzeichnung verzögerte sich nach Medienberichten, weil Madonna ihren Hit „Like a Prayer“ singen will. Doch nicht alle Rechteinhaber an dem Song hätten der Europäischen Rundfunkunion (EBU) als Veranstalter dazu ihre Zustimmung gegeben. Außerdem wolle der Popstar am Samstag als Weltpremiere den neuen Song „Future“ aufführen.

In der Eurovisionswoche gibt es in Tel Aviv zahlreiche weitere Aktivitäten. Der TV-Sender Kan berichtete, Hunderttausende von Menschen hätten im Rahmen der „Weißen Nacht“ in der Nacht zum Freitag in der ganzen Stadt gefeiert. Das ESC-Dorf am Mittelmeerstrand von Tel Aviv war zeitweise so voll, dass die Polizei Menschen aufrief, nicht mehr in die Gegend zu kommen.

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Das wird (k)ein ganz normaler ESC

(veröffentlicht am 16. Mai)

Die Proben zum 64. Eurovision Song Contest in Israel wurden von Raketenangriffen der Hamas überschattet. Im Austragungsort Tel Aviv geht dennoch alles seinen gewohnten Gang.

Viel wurde diskutiert über diesen 64. Eurovision Song Contest, dessen Finale am Samstag in Tel Aviv stattfinden wird. Boykottaufrufe, Anschlagsangst und Proteste ultraorthodoxer Gruppierungen. Die Zahl der Hotelbuchungen blieb deutlich hinter den ersten Erwartungen der Veranstalter. Das mag an den teils utopischen Preisen gelegen haben. Innerhalb der ESC-Fanszene gab es aber auch genügend Menschen, die ihren Reiseverzicht mit der angespannten Sicherheitslage begründeten. Letzten Schätzungen zufolge werden am Wochenende rund 10.000 Touristen in Tel Aviv erwartet.

Erste Eindrücke vor Ort zeigen: In der Küstenmetropole ist von all der Aufregung nur wenig zu merken. So war es auch in der vergangenen Woche, als militante Palästinenser aus dem Gazastreifen 700 Raketen abfeuerten. Israels Armee griff daraufhin Ziele im Gazastreifen an. Vier Israelis und 25 Palästinenser wurden getötet. Es war der schlimmste Gewaltausbruch aus dem Gazastreifen seit fünf Jahren. In Tel Aviv lief da bereits die erste Probenwoche. Einige Fans und Journalisten waren bereits vor Ort. Sie erfuhren von den Angriffen aus den Nachrichten.

„Für mich ist Israel das sicherste Land“, sagt Bert Römgens. Der Koordinator der Jüdischen Gemeinde in Neuss verfolgt den ESC in Tel Aviv, ist bereits seit ein paar Tagen vor Ort. „Der Sicherheitsstandard ist wie immer gut und problemlos. Security und Polizei sind sehr um das Wohlergehen der vielen Touristen bemüht.“ Klar gebe es bei solch einem Großereignis Personenkontrollen, aber die gab es auch beim ESC in Düsseldorf 2011. Im Gegenteil: Fans vor Ort wundern sich sogar über die zunächst recht laschen Kontrollen am Veranstaltungsort, dem Tel Aviv Convention Center. Beim Finale wollen die Behörden dennoch nichts dem Zufall überlassen. Schon zum Ersten Halbfinale am Dienstag nahm die Polizeipräsenz vor Ort zu. Rund 20.000 Polizisten sollen das Großereignis vom Land, vom Wasser und aus der Luft sichern.

Nach den Raketenangriffen vergangene Woche ist es in Israel in den letzten Tagen verhältnismäßig ruhig geblieben. Das liegt vor allem an einer Waffenruhe, die das israelische Militär und die Hamas vereinbart haben. So sorgte Katar als einer der Vermittler auch dafür, dass der „Nakba“-Tag dieses Jahr ohne Todesopfer endete. Am Mittwoch gedachten die Palästinenser der Vertreibung und Flucht Hunderttausender im Rahmen der israelischen Staatsgründung 1948. Wurden im vergangenen Jahr bei schweren Ausschreitungen noch mehr als 60 Demonstranten getötet, blieb es diesmal nach palästinensischen Angaben bei rund 65 Verletzten.

Stattdessen wird der Konflikt derzeit vor allem medial ausgetragen. Israel möchte sich als perfekter Gastgeber präsentieren, die Hamas will das verhindern und dazu den ESC politisch für die palästinensische Sache nutzen. Dazu passt ein Hackerangriff während der TV-Übertragung es ersten ESC-Halbfinals, bei dem eine Rauchwolke über dem Satellitenbild von Tel Aviv eingeblendet wurde. Dazu passt auch ein Protestkonzert in den Trümmern eines Gebäudes in Gaza. Ein gewaltsamer Angriff auf Tel Aviv ist schon aus taktischen Gründen unwahrscheinlich. Es würde dem Anliegen der Hamas schaden. Vollkommene Sicherheit besteht bei solch einem Großereignis natürlich nicht. „Aber überlegt jemanden deswegen ernsthaft nicht mehr nach London, Paris oder Madrid zu fahren“, fragt Römgens.

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18 Länder kämpfen um den Einzug ins Finale

(veröffentlicht am 16. Mai)

Zeit für Runde Zwei! Am Donnerstagabend geht das zweite Halbfinale vom ESC über die Bühne. Insgesamt kämpfen 18 Länder um die verbliebenen zehn Plätze für das Finale am Samstag.

Der große Favorit Niederlande und die ebenfalls hoch gehandelten Starter aus Schweden und Russland treten am Donnerstagabend (um 21 Uhr) im zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contest an. Insgesamt kämpfen 18 Länder um die verbliebenen zehn Plätze für das ESC-Finale am Samstagabend. Über das Weiterkommen entscheidet je zur Hälfte das Publikum und eine Juryabstimmung.

Über das Weiterkommen dürfen auch die deutschen Fernsehzuschauer per Telefon mit abstimmen. Das für Deutschlands startende Duo S!sters ist bereits für das Finale gesetzt.

Die Show überträgt der ARD One. Auf eurovision.de gibt es einen Livestream zum Mitdiskutieren.

In folgender Reihenfolge starten die Länder am Donnerstagabend ins 2. ESC-Halbfinale:

  1. Armenien: Srbuk mit "Walking Out"
  2. Irland: Sarah McTernan mit "22"
  3. Moldau: Anna Odobescu mit "Stay"
  4. Schweiz: Luca Hänni mit "She Got Me"
  5. Lettland: Carousel mit "That Night"
  6. Rumänien: Ester Peony mit "On A Sunday"
  7. Dänemark: Leonora mit "Love Is Forever"
  8. Schweden: John Lundvik mit "Too Late For Love"
  9. Österreich: Paenda mit "Limits"
  10. Kroatien: Roko mit "The Dream"
  11. Malta: Michela mit "Chameleon"
  12. Litauen: Jurij Veklenko mit "Run With The Lions"
  13. Russland: Sergey Lazarev mit "Scream"
  14. Albanien: Jonida Maliqi mit "Ktheju tokës"
  15. Norwegen: KEiiNO mit "Spirit In The Sky"
  16. Niederlande: Duncan Laurence mit "Arcade"
  17. Nordmazedonien: Tamara Todevska mit "Proud"
  18. Aserbaidschan: Chingiz mit "Truth"

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Feuershow und bunte Outfits im ersten Halbfinale

(veröffentlicht am 15. Mai)

Am Dienstagabend ging das erste Halbfinale vom ESC mit Feuershow und bunten Outfits über die Bühne. Die Tschechische Republik hat das Finale des Eurovision Song Contest erreicht. Außerdem schafften es die Länder Griechenland, Weißrussland, Serbien und Zypern ins Finale. Mit ihnen werden außerdem Estland, Australien, Island, San Marino und Slowenien wetteifern.

Zu den Ländern, die vorzeitig ausschieden, zählte überraschend Portugal. Vor zwei Jahren hatte der Portugiese Salvador Sobral den Wettbewerb noch gewinnen können, das ESC-Finale 2018 fand deshalb in Lissabon statt. Auch Finnland, Polen, Ungarn und Belgien schieden aus, außerdem Montenegro und Georgien.

Die zumindest den Wettquoten zufolge zu den größten Favoriten zählenden Starter Niederlande, Schweden und Russland treten erst im zweiten Halbfinale am Donnerstagabend an.

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17 Länder kämpfen um den Einzug ins Finale

(veröffentlicht am 14. Mai)

Das erste Halbfinale startet am Dienstagabend. 17 Länder treten dort an, die zehn besten qualifizieren sich schließlich für das Finale am 18. Mai.

Bar Rafaeli, Lucy Ayoub, Assi Azar und Erez Tal moderieren die Show ab 21 Uhr. Der ARD Digitalsender One überträgt das erste Halbfinale. Einen Livestream zum Mitdiskutieren und barrierefreie Streams gibt es online unter eurvision.de. Barrierefrei meint, dass die Show auch mit Übersetzungen in die deutsche Gebärdensprache, Untertitel und Audiodeskription am Fernseher oder vor dem Laptop verfolgt werden kann.

In folgender Reihenfolge starten die Länder am Dienstagabend ins 1. ESC-Halbfinale:

  1. Zypern: Tamta mit dem Lied „Replay“
  2. Montenegro: D mol mit dem Lied „Heaven“
  3. Finnland: Darude mit dem Lied „Look Away“
  4. Polen: Tulia mit dem Lied „Fire Of Love“ (Pali sie)
  5. Slowenien: Gašper Šantl mit dem Lied „Sebi“
  6. Tschechische Republik: Lake Malawi mit dem Lied „Friend Of A Friend“
  7. Ungarn: Joci Pápai mit dem Lied „Az én apám“
  8. Weißrussland: Zena mit dem Lied „Like It“
  9. Serbien: Nevena Božović mit dem Lied „Kruna“
  10. Belgien: Eliot mit dem Lied „Wake Up“
  11. Georgien: Oto Nemsadze mit dem Lied „Keep On Going“
  12. Australien: Kate Miller-Heidke mit dem Lied „Zero Gravity“
  13. Island: Hatari mit dem Lied „Hatrio Mun Sigra“
  14. Estland: Victor Crone mit „Storm“
  15. Portugal: Conan Osíris mit dem Lied „Telemóveis“
  16. Griechenland: Katerine Duska mit dem Lied „Better Love“
  17. San Marino: Serhat mit dem Lied „Say Na Na Na“

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„S!sters“ laufen langsam warm

(veröffentlicht am 13. Mai)

Jetzt wird es für Lauritta Spinelli und Carlotta Truman ernst: Die für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) startenden Sängerinnen reihen gerade in Tel Aviv Probe an Probe. Dadurch werden sie immer sicherer auf der Bühne.

Bisher sorgten die beiden allerdings noch für wenig Begeisterung bei den Fans. Ihr Lied konnte sich weder in den Hitparaden nennenswert platzieren, noch überzeugte es die Kritiker. Immerhin fielen die Kritiken ihrer ersten Proben positiv aus.

Auf der Bühne im Convention Centre von Tel Aviv probierten Spinelli und Truman verschiedene Permonances aus, berichtet die ARD. Wie die beiden ihren Auftritt choreographisch beenden, scheint bis jetzt noch nicht festzustehen. Zunächst unsicher war das Duo beim vierten Probendurchgang aber eins mit ihrem Song „Sister“.

Truman und Spinelli konnten im Februar den Vorentscheid der ARD für das ESC-Finale gewinnen. Erst kurz vorher waren sie als Starterinnen nachnominiert worden – der ARD war das Lied „Sister“ von einem internationalen Komponistenteam angeboten worden. Unter den Komponisten des Lieds ist Laurell Barker, die für den ESC in Tel Aviv gleich für drei Länder das Lied schrieb.

Zuerst das Lied, dann die Künstler – so lautete in diesem Fall die Reihenfolge. Denn erst nachdem die Komposition vorlag, suchten die ARD-Verantwortlichen dafür zwei Sängerinnen. Truman und Spinelli lernten sich erst im Rahmen dieses Castings kennen.

Geheimtipp für die Top Ten

„S!sters“ werden als Geheimtipp für die Top Ten gehandelt, berichtet die ARD. Im Pressezentrum gab es nach ihrem letzten Übungsdurchlauf auch Applaus.

Für die am 19. Oktober 1999 in Hannover geborene Truman ist S!sters die Gelegenheit, den nächsten und vielleicht entscheidenden Schritt ihrer Karriere zu machen. Denn obwohl sie erst 19 Jahre alt ist, sorgte die blonde Sängerin schon wiederholt für Aufmerksamkeit. „Ich singe ja schon mein ganzes Leben“, sagt sie.

Das erste Mal zu hören bekam das ein Millionenpublikum, als sie neun Jahre alt war. In der RTL-Sendung „Das Supertalent“ schaffte Truman es bis ins Finale. Moderator Dieter Bohlen sagte: „Du bist das beste Beispiel dafür, dass Deutschland echte Talente hat.“

Seitdem tritt die aus einer deutsch-britischen Familie mit drei Kindern stammende Truman immer wieder öffentlich auf, gewann schon mit zwölf Jahren den „Deutschen Rock&Pop-Preis“ als beste Solosängerin und arbeitete mit dem Erfolgsproduzenten Alex Christensen. Allerdings: Ein eigener Hit fehlt der Sängerin bis heute.

Auch ihre mit dem Künstlernamen Lauritta Spinelli auftretende Partnerin muss den Schritt in die erste Reihe erst noch machen. Die am 29. September 1992 in Königsau als Laura Kästel geborene Hessin startete ebenfalls schon als Kind ihre Gesangskarriere und konnte mit zehn Jahren den „Kiddy Contest“ im ZDF gewinnen. Doch der brünetten Tochter eines Pianisten und einer Sängerin gelang ebenfalls noch nicht der große Durchbruch.

Die mit ihrer eher dunklen, souligen Stimme auffallende Spinelli trat bisher vor allem als Backgroundsängerin auf. Mal war dies bei Sarah Connor, mal bei Stefanie Heinzmann – in jüngster Zeit bei ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut.

Spinelli arbeitete zuletzt auch an ihrem ersten eigenen Album. Der Auftritt im ESC-Finale vor vermutlich weltweit um die 200 Millionen Fernsehzuschauern kann dabei viel Rückenwind bringen – allerdings galt dies in der Vergangenheit fast immer nur für die im vorderen Feld platzierten Künstler. Viele andere gerieten bald in Vergessenheit.

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Werbeclip verärgert Israelis und Palästinenser

(veröffentlicht am 13. Mai)

In dem israelischen Fernsehspot zum Eurovision Song Contest (ESC) singen die Israelin Lucy und der aus Russland eingewanderte Jude Elia selbstironisch über Israel. Eine Textpassage empfinden viele im Netz als antisemitisch.

Eine arabische Israelin namens Lucy und ein aus Russland eingewanderter Jude namens Elia nehmen die Zuschauer in dem Clip „auf eine musikalische Reise durch die wichtigsten Teile Israels“, wie der für die ESC-Übertragung zuständige Sender Kan bei Twitter mitteilte.

Der Ton des Werbeclips ist sehr selbstironisch gehalten. „Ich weiß, dass ihr gehört habt, dass es ein Land von Krieg und Besatzung ist“, singt Elia beim Empfang von Touristen am internationalen Flughafen Ben Gurion. „Aber wir haben so viel mehr als das zu bieten“, singt Lucy. Mit Blick auf die hohen Lebenshaltungskosten in Israel meint sie: „Ihr werdet die Preise sehen und fragen: ‚Was?’“

In sozialen Medien kritisierten viele Israelis das Lied als zu negativ. Sogar als antisemitisch wurde eine Stelle eingestuft: „Die meisten von uns sind Juden, aber nur einige sind habgierig.“

Das palästinensische Außenministerium forderte die Europäische Rundfunkunion (EBU) dazu auf, Werbevideos für den ESC 2019 zurückzuziehen, die im 1967 von Israel besetzten und später annektierten Ostteil Jerusalems aufgenommen wurden. Dies gebiete der „Respekt für das palästinensische Volk und internationales Recht“, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. Israel dürfe den Musikwettbewerb nicht dazu missbrauchen, die Besatzung der Palästinensergebiete zu verschleiern. In dem Video ist unter anderem der Tempelberg in Jerusalems Altstadt zu sehen, der Muslimen und Juden heilig ist.

An dem Musikwettbewerb, der vom 14. bis 18. Mai in Tel Aviv ausgetragen wird, nehmen Kandidaten aus 41 Ländern teil. Vor der Veranstaltung gab es mehrfach Boykottaufrufe.

Der Sender Kan selbst betonte, bei dem Clip handele es sich um Satire, die sich mit Stereotypen über Juden und Israel befasse. „Wir kennen unsere Schwächen, und wir schämen uns nicht, über sie zu lachen.“

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Die Welt schaut auf Tel Aviv

(veröffentlicht am 12. Mai)

Am Samstag wird es wieder schrill und laut. In Tel Aviv findet um 21 Uhr das Finale des Eurovision Song Contest 2019 statt. 41 Teilnehmer treten beim größten Musikwettbewerb der Welt an. Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen zur 64. Auflage zusammengestellt.

7500 Zuschauer werden im Tel Aviv Convention Center live dabei sein. Weltweit erreichen die insgesamt drei Liveshows jedes Jahr rund 200 Millionen Fernsehzuschauer. In Deutschland überträgt traditionell die ARD.

Teilnehmer ESC 2019

Am Eurovision Song Contest können grundsätzlich alle Länder teilnehmen, deren Rundfunkanstalten in der Europäischen Rundfunkunion (EBU) zusammenarbeiten. Derzeit sind das 56 Staaten, nicht nur aus Europa, sondern auch aus Nordafrika und Vorderasien. Daher sind auch nicht-europäische Staaten wie Israel und Aserbaidschan dabei. Einzige Ausnahme ist Australien. Als assoziiertes Mitglied sollte das Land eigentlich 2015 nur einmalig als Gast teilnehmen. Dann wurde jedoch eine Ausnahmeregelung geschaffen. Die ESC-verrückten Australier treten regelmäßig an. Im Falle eines Sieges müsste der Wettbewerb allerdings in Europa ausgetragen werden.

Die Regeln vom Eurovision Song Contest

41 Lieder an einem Abend würden jede Fernsehsendung sprengen. Als im Zuge der EBU-Osterweiterung seit den 1990er-Jahren immer mehr Teilnehmer hinzukamen, mussten sich die Veranstalter eine Lösung einfallen lassen. 2004 wurde erstmals eine Vorentscheidung ausgetragen, seit 2008 gibt es jedes Jahr zwei Halbfinals. Sie finden am Dienstag und Donnerstag vor dem Finale statt und werden vom ARD-Digitalsender ONE übertragen (ab 21 Uhr). Dort müssen 35 der 41 Länder um 20 Finalplätze konkurrieren. Sechs Länder sind bereits automatisch für das Finale qualifiziert: Die fünf größten EBU-Beitragszahler (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) sowie Gastgeberland Israel. In den Halbfinals sind nur die jeweiligen Teilnehmerländer abstimmungsberechtigt. Die sechs Vorqualifizierten verteilen sich auf die beiden Termine. Deutsche Zuschauer dürfen dieses Jahr am Donnerstag für ihren Favoriten anrufen.

So funktioniert das Abstimmungssystem beim ESC

Das Voting-System beim ESC ist seit jeher umstritten. Bis 1997 entschieden Fachjurys alleine über den Sieger, von 1998 bis 2008 das Fernsehpublikum. Seitdem wurden mehrere Mischformen ausprobiert, auch um das berüchtigte Punktezuschieben zwischen Nachbarstaaten zu unterbinden. Publikum und Jury geben mittlerweile in jedem Land getrennt ihre Wertung ab. Für die ersten Zehn gibt es jeweils Punkte nach dem bewährten Schema (12, 10, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1). Im Finale verlesen die einzelnen Jurys zunächst ihre Punkte, am Ende werden die zusammenaddierten Zuschauerpunkte aus ganz Europa präsentiert. So soll es bis zum Ende spannend bleiben.

Stars und Favoriten

Der Top-Favorit kommt in diesem Jahr aus unserem Nachbarland. Duncan Laurence wird der erste niederländische Sieg seit 1975 zugetraut. Er steht mit seiner modernen Ballade „Arcade“ bei allen Buchmachern auf Platz eins. Für einen Euro Einsatz gibt es im Erfolgsfall maximal zwei zurück.

Weitere Favoriten sind der Italiener Mahmood („Soldi“) und die Dauersieger aus Schweden (John Lundvik: „Too Late For Love“). Auch zwei alte Bekannte können sich Hoffnungen auf den Sieg machen. Sergey Lazarev wurde 2016 in Stockholm mit „You Are The Only One“ bereits Dritter. 2019 tritt er mit „Scream“ zum zweiten Mal für Russland an und liegt bei den meisten Wettanbietern auf Platz zwei. Luca Hänni, DSDS-Sieger von 2012, ist für die Schweiz dabei. Sein Song „She Got Me“ hat Sommerhitpotential und wird ebenfalls hoch gehandelt. Der größte Star des Finales tritt hingegen außer Konkurrenz an. US-Megastar Madonna wird in der Abstimmungspause auftreten.

Deutschland beim ESC 2019

Nach Jahren der letzten Plätze gab es 2018 mit dem starken vierten Platz von Michael Schulte einen unerwartet großen Erfolg. Der deutsche Beitrag 2019 (S!sters mit „Sister“) wurde vor dem deutschen Vorentscheid noch kurzfristig zusammengecastet. Carlotta Truman und Laurita lernten sich erst rund vier Wochen vor ihrem Auftritt kennen und setzten sich etwas überraschend gegen sechs andere Kandidaten durch. Für Begeisterungsstürme sorgte die Ballade allerdings schon beim Vorentscheid nicht. Ein Platz unter den ersten Zehn wäre ein großer Erfolg.

Politische Dimension

Der ESC versteht sich jeher als unpolitische Veranstaltung. Ein Anspruch, dem der Wettbewerb nicht immer gerecht wird. Hauptthema dieses Jahr ist das Gastgeberland Israel. Im Internet finden sich zahlreiche Boykottaufrufe antiisraelischer Vereinigung wie der „BDS“-Kampagne. Sie werfen dem Land eine „Apartheid“-Politik wie im alten Südafrika vor. Die isländischen Teilnehmer Hatari machten nicht nur mit ihrem ungewöhnlichen Song „Hatrid mun sigra“ (dt.: „Hass muss siegen“) auf sich aufmerksam. Sie erklärten auch, dass sie ihren Auftritt zum Protest gegen Israels Politik nutzen wollen. Auch deshalb wurden sie in Island gewählt.

Einen politischen Skandal gab es dieses Jahr bereits in der Ukraine. Das vom Bürgerkrieg gebeutelte Land wollte eigentlich am ESC teilnehmen. Es gab sogar eine Vorentscheidung, die die Künstlerin Maruv gewann. Danach sollte diese allerdings innerhalb von 24 Stunden ein Dokument unterzeichnen, dass sie nicht mehr im „Aggressorstaat“ Russland auftreten wird. Maruv weigerte sich. Andere Vorentscheid-Teilnehmer solidarisierten sich mit ihr. Die Ukraine sagte die ESC-Teilnahme ab.

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Annett Louisan und Michael Schulte verteilen deutsche Punkte

(veröffentlicht am 9. Mai)

Die Chansonsängerin Annett Louisan und der Vorjahres-Teilnehmer Michael Schulte („You let me walk alone“ 4. Platz) sind Teil der fünfköpfigen deutschen ESC-Jury.

Die beiden Künstler bewerten gemeinsam mit Sängerin Nicola Rost (Band „Laing“), Musiker Nico Santos („Rooftop“) und Musikmanager Joe Chialo die 18 Beiträge des zweiten ESC-Halbfinales sowie die des Finales in Tel Aviv, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Dienstag in Hamburg mitteilte.

Das Jury-Urteil hat wie üblich genauso viel Gewicht wie die Meinung der Fernsehzuschauer. Beide Wertungen ergeben schließlich die Punkteverteilung, maximal sind zwölf Punkte möglich. Für Deutschland treten in diesem Jahr die „S!sters“ im Finale am 18. Mai an. Carlotta Truman und Laurita singen das Lied „Sister“. Insgesamt soll es im Finale Beiträge aus 26 Ländern geben.

Für Jury-Mitglied Louisan sei der ESC etwas Besonderes. „Der ESC steht für mich für Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz“, sagt die Sängerin. Deshalb freue sie sich als Teil der Jury – „wenn auch auf eine kleine und bescheidene Art und Weise“ – hieran teilhaben zu können, sagte die Hamburgerin.

Für Schulte sei die offizielle ESC-Mission eine große Ehre und „ein weiteres Highlight in meinem Leben als ESC-Fan“. Santos hat schon als Kind auf Mallorca den Wettbewerb verfolgt. Er freue sich auf die unglaublichen Talente und ihre Shows und sei gespannt, wie Deutschland abschneiden werde.

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Superstar Madonna singt im Finale

(veröffentlicht am 9. April)

US-Superstar Madonna tritt außer Konkurrenz beim Finale des Eurovision Song Contest in Tel Aviv auf. Dort wird die 60-Jährige auch einen neuen Song präsentieren

Die Sängerin werde am 18. Mai zwei Titel darbieten, darunter einen noch unveröffentlichten ihres nächsten Albums, teilte der Produzent Live Nation Israel am Montag auf seiner Facebook-Seite mit. Eine Bestätigung der Europäischen Rundfunkunion lag zunächst nicht vor.

Der ESC findet in diesem Jahr zum 64. Mal statt. Nach dem Sieg der Israelin Netta Barzilai im vergangenen Jahr in Portugal ist Tel Aviv diesmal Gastgeber des Musikerwettstreits. Die ESC-Halbfinals finden am 14. und 16. Mai statt.

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Deutschlands Hoffnungen liegen auf den „S!sters“

(veröffentlicht am 3. April)

Am 18. Mai findet in Tel Aviv das Finale des Eurovision Song Contests statt. Für Deutschland gehen diesmal zwei junge, aber bereits Bühnen-erprobte Künstlerinnen an den Start.

Der ESC beginnt am 14. Mai. Traditionell wird die Veranstaltung im Land des Vorjahressiegers ausgetragen. 2018 gewann in Lissabon die israelische Sängerin Netta Barzilai. Deshalb wird Israel 2019 die große Bühne für den ESC stellen.

Das Duo S!sters hatte den deutschen Vorentscheid gewonnen. Die beiden Sängerinnen Carlotta (19) aus Hannover und Laurita (26) aus Wiesbaden setzten sich mit ihrem Song „Sister“ gegen sechs Konkurrenten durch.

Die jungen Künstlerinnen qualifizierten sich damit für das ESC-Finale am 18. Mai in Tel Aviv. Im vergangenen Jahr holte Michael Schulte beim ESC in Portugal den vierten Platz für Deutschland.

Bühnenerfahrung können die deutschen Kanidatinnen bereits vorweisen: So gewann Carlotta beispielsweise im Alter von zwölf Jahren den Deutschen Rock- und Pop-Preis, auch bei der TV-Castingshow „The Voice Kids“ stand sie im Finale. Laurita siegte als Zehnjährige beim „Kiddy Contest“ und tritt unter anderem als Backgroundsängerin von Lena Meyer-Landrut auf.

(zim/kha/lukra/mro/jms/mlat/dpa/afp)
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