Neues Album "Recovery" Eminem — der Rastlose

(RP). Vordergründig wirkt der Rapper mit seinen Hasstiraden auf Schwule, Frauen und Musikerkollegen aggressiv. Tatsächlich legt kein anderer Star seine seelischen Wunden so offen wie er. Auf seinem neuen Album verarbeitet er seinen Absturz in die Drogensucht – mit gewohnt brillanten Reimen.

Das ist Rapper-Legende Eminem​
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Die große Chance im Leben ergriffen - das ist Rapper-Legende Eminem

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(RP). Vordergründig wirkt der Rapper mit seinen Hasstiraden auf Schwule, Frauen und Musikerkollegen aggressiv. Tatsächlich legt kein anderer Star seine seelischen Wunden so offen wie er. Auf seinem neuen Album verarbeitet er seinen Absturz in die Drogensucht — mit gewohnt brillanten Reimen.

Mariah Carey kann sich wirklich geehrt fühlen. Offenbar war Frauenschwarm Eminem einmal sehr verliebt in sie. Anders ist nicht zu erklären, wie heftig er darauf reagiert, dass die inzwischen verheiratete Sängerin so tut, als sei da nie etwas gewesen. "Ich möchte Mariah, die Schlampe, nicht schlecht machen, weil sie eine tolle Sängerin ist. Aber was mich richtig geärgert hat, ist, dass sie später abgestritten hat, dass wir ein Paar waren", sagte er einem US-Radiosender.

Damit offenbart er der ganzen Welt ein Gefühl, dass andere um jeden Preis verbergen würden, weil es ihnen unangenehm, ja peinlich ist: verletzter Stolz. Eminem, 37, ist nichts peinlich. Seit er 1999 mit dem Album "The Slim Shady LP" weltweit die Charts eroberte und zum weißen Superstar der Rap-Szene wurde, ist er nur damit beschäftigt, sich selbst zu entblößen.

Bittere Jugend im Wohnwagen

Er erzählt von seiner bitteren Jugend in einem Wohnwagen in einem Detroiter Armenviertel, von seiner drogensüchtigen Mutter, von seinen verzweifelten Versuchen, von schwarzen Rap-Kollegen ernst genommen zu werden.

Er schildert ausführlich seine On-und-Off-Beziehung mit Jugendliebe Kim, die er in seinen Songtexten wahlweise umbringt oder vehement verteidigt. Wenn ihn andere Stars auch nur erwähnen, reagiert er derart übertrieben aggressiv, dass man sich ernsthaft Sorgen um sein Selbstwertgefühl machen muss.

Statt es schlicht zu ignorieren, dass die damals noch sehr junge Christina Aguilera in einem MTV-Interview sagte, er sei "süß, aber verheiratet, hi hi", feuerte er kurz darauf in Interviews und mehreren Songs verbale Angriffe auf die Sängerin ab, die allesamt weit unter die Gürtellinie gingen. Absurderweise warf er ihr vor, ungefragt über sein Privatleben geplaudert zu haben.

Rappen ohne fluchen

Ähnlich erging es dem ewigen Gutmenschen Will Smith, der beim Empfang eines Preises betonte, man könne auch rappen, ohne zu fluchen. Marshall Mathers III, so Eminems bürgerlicher Name, nahm das prompt als Kriegserklärung und schrie dem Star in einem seiner Songs ein wütendes "F... you" hinterher. All das offenbart eine ständige innere Rastlosigkeit, eine ständige Angst, irgendwer, und sei er noch so harmlos, könne ihm seinen hart erkämpften Ruhm streitig machen.

Es ist die nackte Panik, die Eminem treibt. Sie macht ihn aggressiv, setzt aber auch eine enorme kreative Energie frei. Er denkt so viel über sein dominierendes Songthema nach — sich selbst —, dass ihm immer neue, noch bessere Formulierungen einfallen. Dazu kommt ein ausgeprägtes Takt- und Sprachgefühl, und fertig ist der Ausnahmerapper. Glücklich wird man mit dieser wahnhaften Ich-Bezogenheit allerdings nicht. Und so verwundert es kaum, dass dem großen Erfolg irgendwann der Absturz folgte.

Den Drogen verfallen

Eminem, der zweimal dieselbe Frau geheiratet hat und sich kurze Zeit später scheiden ließ, den sowohl sie als auch seine Mutter wegen übler Nachrede verklagten, verfiel den Drogen. Jahrelang hörte man musikalisch nichts von ihm, stattdessen tauchten erschreckende Bilder auf, die ihn mit aufgedunsenem Gesicht im Rollstuhl zeigten. "Ich habe Pillen geschluckt wie Vidocin, Ambien und Valium", erzählt er in einem Interview. "Mein Gehirn hat so langsam gearbeitet, dass alles, was herauskam, für die Mülltonne war."

Erst vor zwei Jahren fing er sich, nicht zuletzt wegen seiner 15-jährigen Tochter Hailie. Das Comeback-Album "Relapse" (Rückfall) erschien 2009 und bot typisches Eminem-Programm: Er ließ die Welt an seinem Seelenleben teilhaben, und teilte hier und da aus. Zwar wurde es ein großer Erfolg, doch auf ein geplantes Relapse-2-Album verzichtete Eminem. Er habe zu viele Songs geschrieben, die eine eigene, neue Platte verdient hätten.

Also gibt es nun die Platte "Recovery" (Genesung), und Eminem verbreitet darauf gewohnt sprachgewaltig etwas, das für seine Fans neu ist: Zuversicht. Er ist clean und möchte es bleiben. Wünschenswert wäre es: Rappen kann kaum einer besser.

(RP)
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