Spendenaktion für die Erdbebenregion Drei Akkorde für eine Spende – so war das Benefizkonzert der Toten Hosen

Düsseldorf · Was für ein Konzert! Im PSD Bank Dome gaben die Toten Hosen ein Benefizkonzert zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien: ein historischer Abend der legendären Band.

So lief das Benefizkonzert der Toten Hosen am 24. Februar 2023 - Fotos
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So legendär war das Benefizkonzert der Toten Hosen

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Foto: Anne Orthen (orth)

Da ist die zehnjährige Marie. Sie steht auf einem der Gänge im PSD Bank Dome und lässt sich von ihrer Mutter fotografieren. Hinter ihr hängt eine kleine Leinwand. Auf der zu sehen ist der bekannte Toten Hosen-Adler. Um ihn herum steht in orangefarbenen Buchstaben: „Drei Akkorde für deine Spende“. Marie streckt ihre rechte Hand in die Luft. Das Peace-Zeichen ist klar zu erkennen. Stolz schaut sie aus.

Da ist ein älterer Herr. Er sitzt in einem Fortuna-T-Shirt auf seinem Platz und klopft sich laut auf die Oberschenkel. Nervös schaut er aus. Und da ist ein junges Pärchen. Es steht in der Getränke-Schlange. „Schatz, ich fahre. Trink du ruhig ein Alt“, sagt sie liebevoll zu ihm. Freudig schaut er aus.

Die Stimmung so kurz vor Beginn des historischen Benefizkonzertes zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien, das vor zehn Tagen spontan von der Düsseldorfer Kult- und Punkband Die Toten Hosen angekündigt wurde und innerhalb von gerade mal 60 Sekunden ausverkauft war, sie hat viele Gesichter. Am besten aber lässt sie sich eben als eine Mischung aus Stolz, Nervosität und Freude beschreiben.

Irgendwie beschleicht einen das Gefühl: Eine ganze Stadt steht zusammen. Sozusagen Schulter an Schulter in Solidarität zu den betroffenen Menschen der Erdbebenregion. Und während draußen auf den Fluren die ein oder anderen in sich gekehrt auf und ab spazieren, jagt drinnen in der Halle bei den musikalischen Supports Thees Uhlmann und den Donots schon ein Moshpit den nächsten. Vor allem beim Song „Stop the Clocks“ der fünf Punkrocker aus Ibbenbüren bekommt man Gänsehaut. Die knapp 11.000 Zuschauer sind in diesem Moment gedanklich nah bei den Opfern des Erdbebens.

Überhaupt ist das in dieser Nacht nicht bloß ein Konzert, auf dem ausschließlich abgefeiert wird. Natürlich ertönt „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones, und, na klar sagt dann jemand zu seinem Nachbarn „Jetzt geht’s gleich los, Alter!“, aber als dann ein paar Sekunden später tatsächlich Campino, Kuddel, Breiti, Andi und Vom Ritchie zu den Chorälen von „Wünsch dir was“ auf die Bühne stürmen, „Hallo Düsseldorf und Hallo Radiohörer!“ ins Mikro schreien und reinhauen, liegt da auch ein matter Schleier des Ernstes über den Stirnen der Band und aller Düsseldorfer.

Trotzdem: Die Ränge, sie brechen bei „Alle sagen das“ förmlich auseinander, frei nach dem Motto: Wenn es hier richtig bebt, kann es bitte woanders nicht auch noch beben. Die ganze Halle singt „Keiner glaubt hier mehr an Gott / Alle sagen das“. Campino, der an diesem Abend stets die richtigen Worte findet, betont, dass das hier heute kein Trauerabend werden solle, denn dafür hätten sie überhaupt keine passende Musik. Sie seien ja schließlich eine Punkband. Und Punkbands, die würden kämpfen. „Heute kämpfen wir um jeden Cent, verdammte Scheiße!“, brüllt er. Und: „Alles, was wir nicht festhalten können, werden wir versteigern!“

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Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Botschaft kommt an. Soviel vorweg: Die Menschen spenden, was das Zeug hält. Auch der 14-jährige Juri. 20 Euro seines Taschengeldes habe er für die Erdbebenopfer abgegeben, erzählt Campino. Den Tränen nahe ist er dabei. Nur die Nummer „Das ist der Moment“ will die Tränen nicht. Sie lässt sie schnell wieder trocknen und den guten alten Herrn Optimismus von der Leine. Der pogt und grölt sich durch die Reihen und stößt seine Widersacher Krise, Krieg und Erdbeben mal kurz auf Seite.

Aber so richtig auf Seite schieben kann man die eben nicht. „Mit Baggern heben sie riesige Löcher für die unzähligen Toten aus und werfen sie einfach da rein“, berichtet der wohl bekannteste Frontmann der Republik von seinem türkischen Freund aus Rostock. Die Arena schluckt kollektiv. Die Arena schweigt kollektiv. Denn nach „Unter den Wolken“ wird kurzerhand eine Schweigeminute für alle Kriegs- und Erdbebenopfer abgehalten. Diese brachiale Stille der 11.000: ein berührender Moment. Da bleibt allen der Kloß im Halse stecken.

Und von wegen „wir haben überhaupt keine passende Musik dafür“. Im Gegenteil: Beinahe scheint es, als hätten die Lieder der Toten Hosen in den vergangenen 40 Jahren auf genau diesen einen Moment gewartet, als hätten sich die Punker vom Rhein die vergangenen vier Jahrzehnte für genau diesen einen Moment warmgespielt.

Legenden sind die fünf schon längst gewesen. Heute allerdings machen sie sich unsterblich. Aber hier und jetzt geht es vor allem um das Leben. „Es gibt nur eine Regel, sie heißt: alles oder nichts“, singt Campino. Und weiter „Weil du nur einmal lebst / Weil du nur einmal lebst / Und es uns nicht ewig gibt“. Am Ende wird tatsächlich die Spendensumme von einer Million Euro geknackt.

Wie immer voller Leidenschaft: Campino beim Benefiz-Konzert.

Wie immer voller Leidenschaft: Campino beim Benefiz-Konzert.

Foto: Anne Orthen (orth)

Bei „Schönen Gruß, auf Wiederseh’n“ lachen die fünf da oben so richtig ausgelassen. Zum ersten Mal heute Nacht. Die Anspannung, das sieht man, ist von ihnen heruntergepurzelt. Drei Akkorde für eine Spende: Was für ein Konzert.

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