Pro und Contra zu Toten-Hosen-Lied „Feiern im Regen“ – perfekt zum Feiern oder einfach nur unmöglich?

Düsseldorf · Die Fans der Toten Hosen streiten heftig über das neue Lied „Feiern im Regen“. Die Vorwürfe: „Schützenfestschlager“, „weichgespült“ und „volltrunken“. Auch in unserer Redaktion wird heftig diskutiert. Ein „Pro und Contra“.

 Toten-Hosen-Frontmann Campino (Archivbild).

Toten-Hosen-Frontmann Campino (Archivbild).

Foto: Endermann, Andreas (end)

Pro „Feiern im Regen“: Lasst sie doch feiern!

Von Ludwig Krause, Sitemanager RP Online

Die Toten Hosen veröffentlichen ein neues Lied und die Geschmackspolizei rückt mal wieder in voller Stärke aus. Nicht nur, dass sie für sich selbst entschieden hat, „Feiern im Regen“ doof zu finden. Nein: Glaubt man den zahlreichen Kommentaren unter dem offiziellen Video zum Song auf Youtube, darf das Lied auch von niemand anderem gut gefunden werden – und überhaupt, es hätte von der Band nie veröffentlicht werden dürfen. Schließlich stehen die Toten Hosen ja für Punk. Und bitte für nichts anderes.

Wirklich treffen dürfte das die Hosen nicht. Campino hat da schon ganz andere Kommentare ertragen. Man erinnere sich an den Shitstorm, der über ihn hereingebrochen ist, nachdem er ein Weihnachtslied für den guten Zweck aufgenommen hat. Auch damals ging das laut Geschmackspolizei natürlich alles gar nicht.

Aber wer sich im Jahr 2019 ernsthaft noch darüber aufregt, dass Die Toten Hosen massenradiotaugliche Lieder produzieren, der wundert sich vermutlich auch noch darüber, warum die Grünen im Bundestag nicht alle Latzhosen und Turnschuhe tragen. „Tagen wie diese“, „Wannsee“ und jetzt eben „Feiern im Regen“. Das ist seit Jahren schon kein Punk mehr, sondern extrem ohrwurmtauglicher Pop, der auch noch in der größten Bierlaune funktioniert. Die Band hat sich verändert, die große Provokation haben längst andere übernommen, von „Feine Sahne Fischfilet“ über „Kraftklub“ bis „KIZ“.

Und das ist doch auch gar nicht schlimm: Wie gut auch die neuen Hosen-Stücke zwischen den rotzigen Klassikern funktionieren, beweist die Gruppe bei jedem Konzert aufs Neue. Wie mit der jüngst aufgenommenen Ska-Version von „1000 gute Gründe“ in der Düsseldorfer Tonhalle. In der Tonhalle! Das hätte man sich vor ein paar Jahrzehnten mal vorstellen müssen. Trotzdem gut.

„Feiern im Regen“ wird garantiert nicht mein neues Lieblingslied. Aber wenn sich etwas weiter den Rhein herunter alle bei „Du bess die Stadt“ und „En unserem Veedel“ heulend in den Armen liegen können, dann dürfen Campino und Co. auch auf den Rheinwiesen eine Flasche Wein köpfen. Lasst sie doch zwischen den Schafen schunkeln - die Altstadt im Rücken, den Rheinturm über den Köpfen. So mag ich mein Düsseldorf. Und so wird sich auch die Stadt weiter zu den Toten Hosen in den Armen liegen. Auf der Ratinger, im Stadion der Fortuna oder auf der Rheinkirmes. Hier wo wir leben, hier wo wir lieben. Ich freu mich drauf!

Contra „Feiern im Regen“: Wir brauchen wieder Horrorshow

Von Dominik Schneider, Redaktion Düsseldorf

Das Schlimmste vorweg: „Feiern im Regen“ ist ein Ohrwurm und kann zu später Stunde wunderbar dafür sorgen, dass sich Menschen in einem Festzelt in den Armen liegen. Aber das ist nicht die Aufgabe eines Hosen-Songs. Campino und Co. waren mal eine Band, die Tabu-Themen schonungslos vertont und die Gesellschaft radikal kritisiert hat. Aber von diesen Wurzeln haben sich die Toten Hosen entfernt – schade, wie ich finde.

Ich bin Hosen-Fan. In meinem Schrank hängt ein Band-Shirt und im Büro ein Laune der Natour-Poster gegenüber vom Schreibtisch. Wenn ich an die Düsseldorfer Band denke, dann denke ich an Lieder wie „Hier kommt Alex“ oder „Strom“ – den die Hosen in ihrem neuesten Album ja ganz bewusst weglassen. Früher hat die Band kraftvolle Lieder geschrieben, hart und ehrlich in Text und Musik. Natürlich darf sich ein Künstler weiterentwickeln, einen neuen Stil finden. Aber ich als Fan darf das auch ärgerlich finden.

Die Transformation von Punk zu Schlager setzte 2012 mit „Tage wie diese“ ein und hat mit „Feiern im Regen“ einen neuen Höhepunkt erreicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Party-Hits lukrativ sind, dass sie ein breiteres Publikum ansprechen. Im kommenden Jahr wird man in vielen Bierzelten im ganzen Land „Feiern im Regen“ hören, man wird mitsingen, man wird das Lied feiern. Aber für die, die mit den früheren Songs der Düsseldorfer Punk-Rocker aufgewachsen sind, fühlt es sich an, als hätte sich ein alter Freund so sehr verändert, dass man ihn kaum wiedererkennt. Schnulzige Stimmungslieder über Feste und Freundschaft haben gibt es zur Genüge, das können andere genauso gut wie die Hosen – vielleicht sogar besser, denn sie müssen nicht „Regen“ auf „Rheinwiesen“ reimen. Schlager haben wir genug – Punk nicht.

Herr Frege, sollten Sie das hier lesen: Düsseldorf braucht wieder Punk. Unserer Gesellschaft entwickelt sich in vielen Bereichen in eine gefährliche Richtung, und so lange wir vergnügt im Regen feiern, merken wir das nicht. Wir brauchen Musik, die uns die Augen öffnet. Wir brauchen die harte, nackte, ehrliche Wahrheit. Wir brauchen ein kleines bisschen Horrorshow.

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