Das Phänomen Eagles Die Jungs aus dem Hotel California

Düsseldorf · Die Eagles sind die am heftigsten unterschätzte und am besten verkaufte Band Amerikas. Nun kommen sie auf Tour nach Deutschland.

Die Eagles geben Konzerte in Deutschland.
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In dem Film „The Big Lebowski“ von den Regie-Brüdern Ethan und Joel Coen gibt es eine Szene, die das Band-Phänomen Eagles sehr schön ins Bild bringt. Die Hauptfigur der Geschichte, der von Jeff Bridges gespielte Dude, sitzt auf der Rückbank eines Taxis. Im Radio läuft der Song „Peaceful Easy Feelin’“, und der Dude stöhnt auf und bittet den Fahrer, den Sender zu wechseln: „Ich hasse die verdammten Eagles“, sagt er. Der Taxifahrer fackelt nicht lange. Er fährt rechts ran, steigt aus, und zieht den Fahrgast aus seinem Wagen. Die Eagles beleidigen, das geht gar nicht. Nichts gegen die Eagles, Mann!

Die Eagles sind die am heftigsten unterschätzte Band der Welt. Man findet selbst in amerikanischen Zeitungen kaum einen Text über sie, der keinen spöttischen Unterton hat. Glatt sei ihre Musik, auf Perfektion getrimmt und dadurch emotionslos und ohne Herz, heißt es oft. Die Hörer sehen das allerdings anders. Das Album „Their Greatest Hits (1971–1975)“ hat kürzlich Michael Jacksons „Thriller“ vom ersten Platz in der Liste der meistverkauften Platten aller Zeiten verdrängt. Und weil auf dieser Songsammlung der größte Erfolg der Band noch gar nicht enthalten ist, folgt „Hotel California“ aus dem Jahr 1976 auf Platz drei derselben Liste. Die Eagles sind ein Superlativ, die erfolgreichste Gruppe Amerikas. Auch live: Seit ihrer Wiedervereinigung haben sie mehr als eine Milliarde Dollar mit Konzerten eingenommen, meldet das Magazin „Billboard“.

Die Eagles sind Vertreter der West Coast Music. Sie wurden 1971 in Los Angeles gegründet. Don Henley und der 2016 gestorbene Glenn Frey waren die Köpfe der Band, und sie lernten einander kennen, als sie in der Begleitband von Linda Ronstadt spielten. Sie förderte die talentierten Jungs, und gut war auch, dass Henley/Frey sich damals ein Apartment mit Jackson Browne teilten, denn der schrieb Songs mit ihnen, den ersten Hit etwa: „Take It Easy“.

Der Musikmanager David Geffen erkannte rasch das Potenzial dieser Musiker, er gab ihnen einen Vertrag, und er ließ ihnen Zeit, sich in Hunderten Konzerten ihren Stil zu erspielen. Sie vermischten Country mit Rock, gaben ein bisschen Sehnsucht und Fernweh dazu, und sie verstanden es, kurze, klare Geschichten zu erzählen. Ihr Markenzeichen wurde der mehrstimmige Harmoniegesang, der gelegentlich an die Beach Boys erinnert. Allerdings stehen die Eagles im Staub des Highways und nicht barfuß im Sand.

Gerade ist das Gesamtwerk der Eagles in einer mächtigen Box mit 15 LPs beziehungsweise 14 CDs erschienen, „Legacy“ heißt sie, „Vermächtnis“ also, und wenn man sich nun durch die Biografie dieser Band hört, fällt einem auf, wie gut ihre Songs gebaut, wie erstklassig die Produktionen sind. Natürlich haben sie sich von Vorbildern inspirieren lassen: Da steckt gerade zu Beginn viel Crosby, Stills & Nash drin. „Tequila Sunrise“ klingt nach Neil Young. Manchmal fühlt man sich an Roy Orbison erinnert. Allmählich werden die Gitarrenakkorde weicher, die Vokalpassagen ausgefeilter. Sie sind so gut wie nie politisch (erst auf ihrem Alterswerk „Long Road Out Of Eden“ von 2007), und sie haben keine Angst vor dem Kitsch. Das ist Softrock, der Cowboystiefel und Swimmingpool verbindet.

Es gibt tolle Aufnahmen wie das Konzeptalbum „Desperado“ über Aufstieg und Fall eines Western-Rebellen. Man muss sich den Anfang des Lieds „Those Shoes“ aus dem Album „The Long Run anhören“: Er ist so genial, dass die Beastie Boys daraus später den Titel „High Plains Drifter“ auf ihrer Platte „Paul’s Boutique“ gebaut haben. Oder das vom frühen Tom Waits geschriebene „Ol’ 55“. Oder das aus der Feder von Bob Seger stammende „Heartache Tonight“. Der Überhit war dann natürlich „Hotel California“. Und wie gut er gemacht ist, erkennt man daran, dass 40 Jahre hochfrequenter Radioeinsatz ihm nichts anhaben können. Er wurde oft missverstanden, es geht darin um die Überflussgesellschaft im Sonnenstaat. Manche meinen indes, die Eagles sängen über Satanismus und Heroinabhängigkeit. Legendär ist das Gitarrenduett der inzwischen zur Band gestoßenen Joe Walsh und Don Felder am Ende des Stücks.

Glenn Frey sagte damals den großen Satz: „Der Unterschied zwischen Langeweile und Easygoing beträgt ein paar Millionen Dollar.“ Und wie das mit Bands ist, die sehr schnell sehr groß werden: Es gab Streit. Die Eagles wurden untereinander sogar handgreiflich. Frey und Henley hassten einander, und so trennten sie sich 1980. Eher friert die Hölle zu, als dass die beiden wieder zusammen spielen, hieß es. Ein paar Solohits („The Heat Is On“ von Glenn Frey, „Boys Of Summer“ von Don Henley) und 14 Jahre später gab es die Reunion. Das dazu passende Album hieß: „Hell Freezes Over“.

Das Softrock-Revival und die boomende Konzertindustrie sorgen dafür, dass die Eagles erfolgreicher sind denn je. „Wir sind die Band, die die Zeit vergessen hat“, sagte Glenn Frey einst. Vielleicht stimmt das sogar. An seiner Stelle spielt nun sein Sohn Deacon Frey in der Band. Zeitloses Handwerk, das ist das Erfolgsgeheimnis der Eagles. Künstler wie Sheryl Crow und auch Bon Jovi haben sich von ihnen viel abgeschaut.

Und vielleicht sollte man sich ein paar Titel anhören, die nicht so oft gespielt werden, um dieses Phänomen zu verstehen. „Outlaw Man“ etwa, „On The Border“ und – das vor allem – „Seven Bridges Road“: Das singen sie als Intro zu jedem Konzert stets a-cappella, es ist tatsächlich ziemlich schön, und der Anfang klingt fast wie eine Selbstbeschreibung: „There are stars in the southern sky“.

Nichts gegen die Eagles, Mann.

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