Unheilig in Köln Der Graf, der Chor und das Stadion

Köln · Einen hat er noch, der Graf. Noch einmal kommt er zurück. Ungläubig hält er sich die Hand vor den Mund, er wirft einen Blick ins weite Rund und dann spielt er: "Geboren um zu leben", natürlich, das ist das große Finale eines jeden Unheilig-Konzertes, und jetzt geht der Vorhang hinter ihm auf und ein ganzer Kinderchor stimmt in den Refrain mit ein. "Wollen wir gemeinsam singen", fragt der Graf und dann singen alle mit: der Graf, der Chor und das Stadion.

Das ist der Graf
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"Geboren um zu leben", der Song machte Unheilig vor zwei Jahren berühmt. Über eine Million Mal verkaufte die Band ihr Album "Große Freiheit", eine Sensation war das und der Graf plötzlich einer der größten deutschen Popstars. Ein Grönemeyer der neuen deutschen Härte. Unheilig mischen schlagerhafte Innerlichkeit und brettharte Gitarren, jetzt spielen sie vor 30 000 Fans in Kölner Rheinenergie-Stadion. Nie hat die Band ein Konzert vor so vielen Menschen gegeben.

"Herzwerk" heißt das erste Stück, der Graf trägt Frack und Krawatte. Er besingt das "große Leben" und "das Licht der Stadt", er springt von Bein zu Bein wie Rumpelstilzchen am Lagerfeuer. Es gibt viele Konstanten bei Unheilig-Konzerten, dieser Auftritt ist eine. Dass ein Tag mit der Band wie ein Sommerfest anmutet, ist eine andere. Im "Kinderland" gibt es abwaschbare Hello-Kitty- und Unheilig-Tattoos, da stehen auch Erwachsene Schlange. Auf Leinwänden wirbt der Graf für Gratis-Gehörschutze; man gibt acht aufeinander. Unheilig beschwören die große Einheit, wie man das sonst nur von Fußballturnieren kennt. Der Graf sagt "Dankeschön", und zurück kommt ein "Bitteschön". La-Ola-Wellen bahnen sich ihren Weg. Ein Dutzend Mal verschwindet der Sänger hinter die Bühne. Vielleicht haben sie ihm da einen Flokati ausgerollt, damit er auf dem Teppich bleibt.

Dann kommt er zurück auf eine Bühne, die im Stile eines Noir-Comics eingerichtet ist: ein düsterer Straßenzug, eine Pappmaschee-Schattenwelt. Im Zentrum ragt ein Kirchturm in die Höhe, die Uhrzeiger stehen auf fünf vor zwölf. Es ist jetzt 22.30 Uhr, der Graf spielt noch einen. Im Publikum steht ein kleiner Junge und schämt sich, weil seine Mutter mit geschlossenen Augen mitsingt. Weil das jetzt langsam sehr viele der großen Gefühle werden. Der Vorhang öffnet sich, der Chor setzt ein. Und entweder man spürt das jetzt, oder eben nicht.

(RP/pst)
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