„Razorlight“-Comeback in Köln Johnny B., good

Nach einem Jahrzehnt Pause sind die Indie-Rocker Razorlight zurück – und siehe da, Frontmann Johnny Borrell ist statt anstrengend nun altersweise.

Razorlight um Frontmann Johnny Borrell sind wieder da.

Razorlight um Frontmann Johnny Borrell sind wieder da.

Foto: Jochheim

Johnny Borrell war eine Karikatur seiner selbst: Ein Gitarrist mit Gottkomplex, der mit dem Motorrad durch das Wohnzimmer seiner Model-Freundin bretterte. Seine Jeans waren wie sein anlassunabhängig entblößter Oberkörper: weiß und schmal. „Bob Dylan macht Pommes, ich trinke Champagner“, hat der Frontmann von Razorlight einmal gesagt. Was auch immer das heißen sollte – bescheiden oder selbstironisch war es jedenfalls nicht. Das neue Album „Olympus Sleeping“ wiederum, das erste nach zehn Jahren Sendepause, beginnt mit einer Bitte Aladdins an seine Wunderlampe: „Print me a Razorlight album that doesn’t totally suck.“

Und das Wunder geschieht: „Olympus Sleeping“ ist wirklich nicht total mies. Razorlight – genauer: Borrell und seine drei neuen Mitmusiker – erfinden das Rad nicht neu, aber sie entdecken wieder, wer sie einmal waren, vor 15 langen Jahren, und das ist doch auch was. Borrell, der in rund einem Jahr 40 wird, macht vieles wieder gut – indem er vieles zumindest gut macht, was er beim brillanten Debütalbum „Up All Night“ sehr gut gemacht hatte.

Borrell kann Riffs und Refrains wie kaum ein Zweiter, er schreibt Hymnen zum Mitgrölen und Mitflüstern unter Tränen. Er ist der jüngere Bruder, den die Gallaghers nie hatten. „Got to Let the Good Times Back into Your Life“ heißt die Single zum Album; das tut man doch gern. Und er selbst macht es vor beim Konzert in der Kölner Kantine vor weniger als tausend ehrlich frohen Menschen.

 Razorlight sind neben Frontmann Johnny Borrell (Mitte) David Ellis (Gitarre), David Sullivan-Kaplan (Schlagzeug) und Harry Deacon (Bass).

Razorlight sind neben Frontmann Johnny Borrell (Mitte) David Ellis (Gitarre), David Sullivan-Kaplan (Schlagzeug) und Harry Deacon (Bass).

Foto: Andy Hughes/Andy Hughes / Atlantic Culture Records

Borrell spielt so viel altes Zeug wie möglich, und alles Unschöne lächelt er weg: Den enttäuschenden Mangel an Textsicherheit des überrumpelten Publikums bei „Golden Touch“, einen Zwischenruf zur Unzeit, den versauten Gitarrenwechsel eines Roadies. Er konzentriert sich auf Musik statt auf Posen oder Predigten. Er trinkt Sprudel statt Schampus, seine Hose ist schwarz und weit. Nach knapp 80 Minuten ist Schluss, und das ist okay, denn er sieht aus wie Fußball-Haudegen Carles Puyol nach 120 Minuten plus Verlängerung.

Er hat alles überstanden, Hype und Hass, Hybris und Heroin

2013 hatte Borrell das betont spleenige Soloalbum „Borrell 1“ veröffentlicht; darauf erinnerte er streckenweise unangenehm an Helge Schneider, wenn der sich für Bob Dylan hielte. Den sagenhaften Flop (594 verkaufte Exemplare in der ersten Woche), über den sich selbst die eigene Plattenfirma öffentlich lustig machte, ertrug er indes mannhaft. Und wer könnte ihm das Selbstmitleid verdenken aus Zeilen wie „There were some problems / In your rock’n’roll career / They took your jokes seriously / And laughed when you were sincere“? Borrell wurde zu früh zu hoch gelobt, von Musikjournalisten auf ein Podest getragen, das sich als Schlachtbank herausstellte, und ist schließlich wie üblich gescheitert am Spagat zwischen Rebellion und Weltruhm. Aber er hat alles überstanden, Hype und Hass, Hybris und Heroin.

Razorlight sind wieder da, reinkarniert als sie selbst 2004. Vor den allzu poppig-pathetischen Alben „Razorlight“ (2006) und „Slipway Fires“ (2008), die das Quartett in die Charts führten, wo es sich verlor. Heute klingen sie fast wie die Welteroberer von einst: Emotional und energetisch, catchy und klar. Schnörkellos schrammelig. Angenehm oldschool und uncool, wie Borrell selbst, der sich gern ins Baskenland verzieht und dort nicht nur auf Social Media verzichtet, sondern sogar auf ein Smartphone.

Ihr Sound ist natürlich nicht neu, aber mit Perwoll gewaschen. Und es scheint, als hätte Borrell das alles schon damals vorausgeahnt. Seine Themen 2004 waren das Stolpern und Fallen, das Fliehen und Verspottetwerden, das Zweifeln und das Nicht-Aufgeben: „Johnny's shadow's getting long / but he keeps on singing.“

Zum Bandnamen gibt es übrigens eine hübsche Geschichte. Der Legende nach griff Borrell mit „Razorlight“ ein ihm unbekanntes Wort auf, von dem er dachte, die ersten Fans hätten es skandiert. Dabei hatten die ihm bloß seine eigenen Zeilen aus „In the City“ zugebrüllt: „It’s alright, it’s alright!“

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