Symphoniekonzert Bruckners machtvolles „Te Deum“

Düsseldorf · Mario Venzago dirigiert das jüngste Symphoniekonzert in der Tonhalle. Alice Sara Ott war die Solistin in einer Komposition von Claude Debussy.

So ein „Te Deum“ ist im Prinzip eine ziemliche fromme Sache. Der Prosatext des „Großer Gott, wir loben Dich“ hat jedoch Komponisten aller Zeiten zu Lobgesängen inspiriert, die über die rein gottesdienstliche Funktion hinausschauen. Deshalb ist es vollkommen unverdächtig, ein Te Deum im Konzertsaal zu spielen. Aber gleich derer zwei?

Im Sternzeichen Nummer 10 ist es getan: Haydns „Te Deum“ in C trifft auf dasjenige Bruckners. Ersteres ein geradezu genial abgeklärtes Werk der Wiener Klassik, keine zehn Minuten kurz und dennoch bedeutend; letzteres ganz großer Bruckner, ganz großes Kino. Mit vollem Orchester, dem typischen Streichergewusel als Basis der posaunenlastigen Bläserchoräle. Gut was zu tun für zumindest zwei von vier Gesangssolisten, eine große Herausforderung für den Chor. Der ist in der Tonhalle natürlich der Musikverein, dessen 200-jähriges Bestehen dieses Jahr ausgiebig gefeiert wird. Und irgendwie wird man den Eindruck nicht los, als sei das der wirkliche Anlass für eine Programmierung, wie man sie wohl so nie wieder zu hören kriegt.

Wo wir gerade beim Musikverein sind: Der enttäuschte etwas, trotz untadeligen Auftretens hinter dem zunächst schmal, später breit besetzten Orchester der Landeshauptstadt. Der Haydn schien unterschätzt, manches Forte bellte, meist wollte Maestro Venzago quicker als die Chormassen. Beim Bruckner spürte man die Euphorie, das schwere Werk zu stemmen. Vieles erklang edel, schön balanciert im Klang, romantisch im besten Sinne.

Aber die Anforderungen sind doch teuflisch: Immer wieder wies Venzago bei den A-cappella-Einwürfen mit der Hand in die Höhen, die die Sänger dann doch nicht ganz erreichten. Manch farbenreiche Modulation blieb blass, die Schluss­fuge, ein aberwitziges Stück, erreichte mit reichlich Fortune den strahlenden Schlussakkord. Gleichwohl gelang ganz viel, manches auch sehr erquickend wie ein fast unhörbares Piano. Der Musikverein ist eben ein verlässlicher Partner im Musikbetrieb. Das gilt auch fürs Solistenquartett, das in Anke Krabbe (Sopran) und Tomasz Zagorski (Tenor) die beiden strahlenden Hochtöner besaß, denen sich Maria Kataeva (Mezzo) und – kurzfristig eingesprungen – Werner Van Mechelen geschmeidig zugesellten.

Inmitten dieser klingenden Gotteslobe nimmt sich Debussys einziges Werk für Klavier und Orchester, die „Fantasie“, gelinde gesagt seltsam aus. Alice Sara Ott tupft den Klavierpart feengleich und im Klangrausch hin, der Klavierstar tratt barfuß und in einem sommerlich fließenden Pailletten-Kleid auf, während die Düsseldorfer Symphoniker einen flirrenden Streichton kultivierten und wunderbare Übergänge von der Trompete zu den Hörner hinbekamen. Beim Zuhören versteht man irgendwie, warum Debussy das Stück vor der Aufführung zurückzog - alles klingt zwar nach Debussy, aber das Besondere, das Einzigartige, der Kuss der Muse bleibt verborgen. Das jedoch holt Alice Sara Ott mit einer walzerhaften Chopin-Petitesse als Zugabe nach.

Und einen richtigen Kuss, den einer Fee, gibt’s dann ja noch im zweiten Teil. Der ist Paul Dukas vorbehalten, von dem jeder den „Zauberlehrling“ kennt, „La Péri“ aber nicht. Auch das ist kein Wunder. Erstens ist das Ballettmusik und zweitens bei allem Talent für Stimmung, Rhythmus und Story eben lange nicht mit solch eingängigen Melodien gesegnet wie die Goethe-Vertonung. Zwei Harfen, Celesta, sechs Mann am Schlagwerk machen aber mächtig was her. Und der Kuss, der dem Prinzen von der Fee zuteilwird, ist auch bei geschlossenen Augen eine fulminante Sache. Da hat Venzago, der als Chef in Bern mit den großen Orchestern der Welt musiziert hat, ein Sachwalter mit Herz, Verstand und dem Quäntchen Temperament, das die Musiker zu hohen Leistungen animiert.

 

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