Die Kampf-Rune auf der Brust Bayreuth-Sänger bereut seine Jugendsünden

Bayreuth · Der russische Opernsänger Evgeny Nikitin gibt an, er habe die Bedeutung seiner Nazi-Tätowierungen nicht gekannt. Ein wenig Googeln hätte gereicht.

Evgeny Nikitin - Bassbariton mit Nazi-Tattoo
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Evgeny Nikitin - Bassbariton mit Nazi-Tattoo

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"Ich habe mir die Tattoos in meiner Jugend stechen lassen", gab Evgeny Nikitin auf der Festspiel-Website zu seiner Entschuldigung offiziell zu Protokoll. Zuvor hatte er seinen Auftritt als Bass-Bariton im "Fliegenden Holländer" abgesagt und damit doch noch für einen Eklat bei den Wagner-Festspielen gesorgt.

Er steht nun vor den Scherben seiner Karriere. Seine Jugendsünden bereut er zutiefst. "Es war ein großer Fehler in meinem Leben. Ich wünsche mir, dass ich es niemals getan hätte. Mir war die Tragweite der Irritationen und Verletzungen nicht bewusst, die diese Zeichen und Symbole besonders in Bayreuth und im Kontext der Festspielgeschichte auslösen."

Die Festspielleitung war durch Medienberichte aufgeschreckt worden. Zunächst einmal habe man eine Stimme engagiert, sagte Festspielsprecher Peter Emmerich, einen passenden Sänger für die anspruchsvolle Titelpartie in Wagners Oper "Der Fliegende Holländer" gesucht. Hautfarbe oder Nationalität spielten dabei normalerweise keine Rolle. Genauso werde in der Regel nicht überprüft, was jemand auf der Haut trägt. "Hier aber liege ein besonderer Fall vor" sagte Emmerich, auf den man konsequent habe reagieren müssen.

In der ZDF-Sendung "aspekte" und auf zahlreichen You-Tube-Videos hatten Aufnahmen von Nikitins mit Tattoos bis in die Finger überzogenem nackten Oberkörper Aufsehen erregt und empörte Diskussionen ausgelöst.

Denn gleich mehrere Symbole haben einen düsteren, nämlich nationalsozialistischen Hintergrund:

Auf der linken Brust trägt der Russe eine sogenannte "Lebensrune", ein von der SS-Organisation "Lebensborn" und der NS-Frauenschaft genutztes Symbol. Seine Verwendung ist heute nicht strafbar.

Die Mitte seines Brustkorbes markiert eine große schwarz-rote "Tyr"-Rune, auch Kampf-Rune genannt. Diese war das Zeichen der 32. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division. Außerdem war sie das Abzeichen der Reichsführerschulen der NSDAP.

Auf einem mehrere Jahre alten Video war die Tyr-Rune noch nicht in seinen Körper eingeritzt. Dafür aber etwas noch Böseres: Ganz deutlich sind die vier Enden eines Hakenkreuzes zu sehen, das er auf seiner rechten Brust trug.

Es sind Bilder aus der wilden Zeit des Musikers, als er in einer Death-Metal-Band spielte und noch eine Glatze trug. Kaum zu glauben, dass aus diesem Mann nur wenige Jahre später ein gefeierter Opern-Star werden sollte.

Das Hakenkreuz ist auf aktuelleren Bildern nicht mehr zu erkennen. Nikitin ließ es später offensichtlich von einem anderen Motiv überstechen. Augenscheinlich war ihm klar, dass dieses Motiv kein harmloses war.

Für beide Seiten ist die Aufgabe Nikitins bitter. Der Sänger, der in Salzburg, New York und in München gefeiert wurde, steht gewissermaßen beschädigt da. Die "Holländer"-Produktion sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Schnell wurde der südkoreanische Bass-Bariton Samuel Youn auf den Premierenzettel gesetzt, der im Ensemble der Kölner Oper tätig ist und in Bayreuth sowieso als Nikitin-Ersatz vorgesehen war.

Aus Sicht des erstmals für Bayreuth engagierten Regisseurs Jan Philipp Gloger ist die künstlerische Beschädigung der Inszenierung selbst nach Einarbeitung des Ersatz-Holländers immens und kann bis zur Premiere eventuell nicht restlos abgewendet werden.

Dabei waren die Vorbereitungen auf die 101. Saison bisher schön geräuschlos verlaufen. Jetzt ist es erstmals mit der Ruhe vorbei. Die Geschichte hat Bayreuth wieder einmal eingeholt.

(RP/pst/jre/rm)
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