Albumkritik „Spring“ von Sølyst Bitte projizieren Sie!

Thomas Klein, Schlagzeuger der Band Kreidler, hat unter dem Projekttitel Sølyst eine neue Soloplatte vorgelegt. „Spring“ versammelt acht Stücke, deren Dynamik sich unmittelbar auf die Hörerschaft überträgt.

 Thomas Klein.

Thomas Klein.

Foto: label/Petra Bosch

Ganz eigenartiger Effekt: Es kommt einem vor, als könne man diese Musik betrachten. Die Stücke funktionieren auch als Skulpturen, wobei das in die Irre führt, denn Skulpturen haben zumeist etwas Statisches. Wie dynamische Skulpturen vielleicht; man meint zu sehen, wie sie angestoßen werden und die Bewegung weitergeben, wie sich Schichten übereinander schieben, Muster variieren und Flächen ihre Farbe verändern.

„Spring“ heißt die vierte Soloplatte des Kreidler-Schlagzeugers Thomas Klein unter dem Namen Sølyst. Er hat acht Klanggebäude versammelt, die man als Hörer gleichsam betreten, in denen man sich aufhalten kann.

Der Hit des Albums ist der Eröffnungstitel: „Sheroes“ beginnt als breites Stück Synthie-Pop, man wirft unwillkürlich den Oberkörper in diesen Groove, dann verändert sich das Stück, wird filigraner und fließt dann jedoch schwer und mitreißend weiter wie Lava. Oder „Thief“: Nach der Hälfte der Spielzeit verändert es seine Gestimmtheit, wird nervös und flirrend und packt einen geradezu physisch. Das ist denn vielleicht auch das Prinzip, das den meisten dieser Kompositionen eigen ist: Irgendwann springt etwas auf und sprießt und blüht. Es kündigt sich Neues an, eine Wendung. Frühling halt.

Klein hat für „Spring“ Material aus den vergangenen drei Jahren neu gesichtet und überarbeitet. Die Klangräume werden weit geöffnet, dabei haben einige Stücke durchaus etwas Unheimliches, etwas Unvertrautes, das dazu einlädt, es zu erschließen und bewohnbar zu machen. Die Hörerschaft ist zum Mitdenken eingeladen: Bitte projizieren Sie!

Das ist eine inspirierende Instrumentalplatte, die die Düsseldorfer Tradition weiterführt. Bildgebende Musik, die Lust macht, sie in der Menge zu spüren, sie mit anderen zu teilen und also zu potenzieren. Das ist nämlich vielleicht sogar die hervorragendste Eigenschaft dieser Stücke, dass sie nicht nur selbst ständig in Bewegung sind, sondern auch Zuhörerinnen und Zuhörer anstupst und in Schwingung versetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort