Aufstieg und Fall von Marc Bolan T. Rex – die Geburtshelfer des Glam Rock

Serie · Mit der Single „Hot Love“ trat die Band T. Rex 1971 eine Welle los und von der Popularität her in die Fußstapfen der Beatles. Frontmann Marc Bolan wurde von den Fans vergöttert. Doch der sagenhafte Erfolg währte nur kurz. Ein paar große Songs aber sind geblieben.

 Der Kern von T. Rex: Marc Bolan (l.) mit Mickey Finn.

Der Kern von T. Rex: Marc Bolan (l.) mit Mickey Finn.

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Auf die Beatlesmania folgte Anfang der 1970er die T. Rextasy: Nach dem Split der Pilzköpfe verzückte ein lockenmähniger, elfengleicher Hippie die Fans. Marc Bolan, der bürgerlich Marc Feld hieß, hob mit seiner Band T. Rex den Glam Rock aus der Taufe und dominierte monatelang die Charts. Allein von Anfang 1971 bis zum Frühjahr 1972 verkaufte er rund 16 Millionen Tonträger, dominierte quasi den britischen Markt. Bolan erlebte einen kometenhaften Aufstieg, war der Mann der Stunde, vor dem sich selbst Ringo Starr mit einem von ihm produzierten, irrwitzigen Konzertfilm verbeugte. Aber wie das so ist mit Räuschen, währen sie nur kurz und enden meist mit einem formidablen Kater. Schon 1974 war Bolans Stern größtenteils verglüht. Fast drei Jahre aber brannte er so hell, dass er vielen nachfolgenden Musikern den Weg wies.

Ohne seine berühmten Förderer, Radiomoderator John Peel und vor allem Produzent Tony Visconti, wäre der Fantasy-verliebte Bursche aus Londons Stadtteil Hackney aber wohl niemals so weit gekommen. Peel begeisterte sich bereits für Bolans erste Band, Tyrannosaurus Rex, deren Markenzeichen es war, dass die Musiker im Schneidersitz auf der Bühne ihre Instrumente spielten, und förderte sie nach Kräften in seiner Show. Selbst zu einer Zeit, als nur wenige Bolans verkopft-verspielte Kompositionen hören wollte.

Visconti, der maßgeblich an den Erfolgen David Bowies beteiligt war, erkannte ebenfalls das Potenzial der Band. Er schuf den speziellen Sound von T. Rex, eine unwiderstehliche wie eingängige Mischung aus Psychedelia und Rock-Oper, getragen von Bolans prägnanter, gerne in sehnsüchtiges Juchzen verfallenden Stimme. Es war eine eigenwillige, aber verführerische Stil-Mixtur, mit der sich die Band von der Konkurrenz abhob, eine Art schläfrig treibender Rock’n’Roll, lasziv und hypnotisch, oft unterlegt mit Chören und Streichern, von Visconti kunstvoll abgemischt.

T. Rex: Fünf besondere Songs der Band zum Anhören
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Fünf besondere Songs von T. Rex

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Mit dem Produzenten konnte Bolan endlich durchstarten, seinem Traum vom Ruhm näherkommen. Wähnte er sich doch zum Rockstar geboren und scherzte gerne darüber, Hits nach Belieben aus dem Ärmel schütteln zu können. Nur sein Ego war noch größer als sein Erfolg, ein ungesundes Verhältnis, das ihn letztlich die Karriere kostete. Bolan lieferte aller Welt eine Klischee-Vorstellung davon, was plötzliches Startum bedeuten konnte - quasi nahtlos von absurder Selbstüberschätzung in gnadenlose Selbstzerstörung abzugleiten.

Auf den Weg nach oben geriet er mit einem Kürzel und drei Glitzersternchen. Aus Tyrannosaurus Rex wurde T. Rex, als Symbol für den Neuanfang und Abkehr vom Mittelmaß. Die glitzernden Sternchen klebte Bolan im März 1971 eine Maskenbildnerin für einen Auftritt bei „Top Of The Pops“ im März 1971 unter jedes Auge. „Hot Love“ hieß der Song, den Bolan damals präsentierte, und die Liebe war tatsächlich so heißt entflammt, dass sich beim Start der Tour junge, mit Scheren bewaffnete Frauen auf ihn stürzten, um eine seiner Locken abzuschneiden. Gemeinhin gilt der TV-Auftritt als Geburtsstunde des Glam oder Glitter Rock, während Bolan selbst seine Musik etwas versponnen als Cosmic Rock vermarktete.

Wie auch immer, es funktionierte. Und wie. „Hot Love“ hielt sich sechs Wochen auf Platz eins, kurz darauf folgten zwei weitere Singles, erst „Get It On“, dann „Jeepster“, die sich beide ebenfalls hoch oben in den Charts platzierten. Etwa zeitgleich setzte sich das T. Rex-Album „Electric Warrior“ an die Spitze der Albumcharts und blieb sechs Monate unter den Top 30. Bolan hatte sich vom verschrobenen Hippie-Hipster zum schillernden Glam-Rocker gewandelt, und sein enormer, raketengleicher Erfolg spornte andere Künstler an, es ihm gleichzutun. Elton John, Rod Stewart, Slade und viele andere sprangen auf den Glitterzug auf, vor allem die britische Musikwelt lag Bolan zu Füßen. Sie alle erlebten 1971 die Geburt eines Superstars. Der aber trotz seiner tiefen Sehnsucht nach Bedeutung dem Ruhm nicht gewachsen war.

Bolan stürzte sich in Alkohol und Drogen, war schon Anfang 1972 kaum in der Lage, auf der Bühne zu stehen. Seine Hit-Formel funktionierte aber noch, er lieferte mit „Telegram Sam“, „Metal Guru“ und „Children Of The Revolution“ noch Chartsstürmer ab. Doch irgendwie war bereits die Luft raus, eine US-Tournee Ende 1972 floppte, Glam Rock-Nachzügler wie Gary Glitter und Sweet stahlen ihm daheim die Show. Bolan konterte mit großmäuligem Getue, macht sich lustig über die Kollegen, ohne seine Tiraden künstlerisch zu untermauern. Die Single „20th Century Boy“ hangelte sich 1973 noch auf Platz drei, danach kam nur noch „The Groover“ in die TopTen. Zwar hörte er nicht auf, Songs zu schreiben, aber Bolan, mittlerweile aufgedunsen vom Alkoholmissbrauch, hatte sich selbst und damit auch die Fähigkeit verloren, Großes zu erschaffen.

Am 16. September 1977, kurz vor seinem 30. Geburtstag, verunglückte der Sänger tödlich bei einem Autounfall; er steuerte den Mini nicht selbst, in dem er starb, sondern hockte auf dem Beifahrersitz. Zeitlebens hatte er neidisch auf die Helden der Popkultur geschaut, deren früher Tod sie untersterblich, zum Mythos hatte werden lassen, wie James Dean oder Jimi Hendrix. Am Ende erlangte er, der nur kurzzeitig im Olymp der Rockgeschichte wandeln durfte, sich selbst aber immer als Lichtgestalt begriff, auch noch sein Stückchen Rock’n’Roll-Unsterblichkeit. Da soll noch jemand behaupten, es gäbe keine Ironie des Schicksals.

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