Ausstellung im Museum Folkwang Fellini, wie ihn keiner kennt

Eine Ausstellung im Museum Folkwang in Essen zeigt, wie der Regisseur Federico Fellini von „La Strada“ und „Dolce Vita“ seine Filme mit dem Stift vorbereitete.

Das Folkwang-Museum führt unter Direktor Peter Gorschlüter von einem Höhepunkt zum nächsten auf der Suche nach dem ganzheitlichen Konzept des Museumsgründers Karl-Heinz Osthaus. Nach „Global Groove“, der Totale des Tanzes in allen Sparten der Kunst, präsentiert es die Verbindung von Film und Zeichnung am Beispiel des genialen Filmregisseurs Federico Fellini (1920-1993).

Dieser Star unter den Autorenfilmern, der mit Oscars gleich viermal geehrt wurde und kurz vor seinem Tod auch noch den Ehrenoscar für sein Lebenswerk erhielt, begann seine wirkmächtigen Bilder mit Kugelschreiber, Bleistift und Filzstift. Die Zeichnung war ihm das leichtfüßige und flüchtige Mittel, um seinen blühenden Unsinn, seine Phantastereien und später auch seine kritischen Weltbilder noch vor der Besetzung mit Schauspielern auf dem Papier zu definieren.

Selbst Besucher, die keine Cineasten sind und nicht jede Figur namentlich kennen, kommen auf ihre Kosten. Denn Fellini war mit Humor gesegnet. Schon als kleiner Junge liebte er die amerikanischen Comics, verdiente seine ersten Lira mit Karikaturen, Grotesken und komischen Soldatenbildern, in denen er lediglich die Köpfe der Porträtierten austauschte. Er amüsierte sich selbst, führte eigene Zwiegespräche und entdeckte die Zeichnung auch als ein Kommunikationsmittel für die Mitarbeiter in den Werkstätten, weshalb sie allgemeinverständlich sein mussten. Um spannend und lustvoll zu zeichnen, muss man auch erzählen, träumen, spintisieren und bramarbasieren können. All dies sind Eigenschaften, die Fellini reichlich besaß und in Drehbüchern und Filmen ins bewegte Bild umsetzte.

Die Ausstellung ruht auf mehreren Säulen. Der Schweizer Verleger und Gründer des Diogenes Verlags, Daniel Keel, und seine Frau Anna, eine Porträt-Künstlerin, waren nicht nur enge Freunde Fellinis, sondern besaßen auch die Weltrechte am Schrifttum des Drehbuchautors und sammelten alles, was der Zeichner zu Papier brachte. Da es noch keine Sprechblasen gab, fügte Fellini den Figuren und Karikaturen Texte hinzu, so dass die Ausstellung einem kurzweiligen Episodenfilm gleicht.

Aber auch der Kurator Tobias Burg ist ein Glücksfall. Er leitet seit 2007 die grafische Abteilung am Haus und hat Spaß an den komischen, absurden, grotesken Einfällen des Filmproduzenten. Da schwingt der Scheich aus dem frühen Film „Die bittere Liebe“ von 1952 singend auf einer Schaukel, den Säbel am Gewand und hochhackige Frauenstiefel an den Beinen, ein Kerl mit dicker Nase, Adlerfeder am Stirnband und prallen Po-Backen. Später hält er einen Liebesknochen wie einen Taktstock in der Hand. Noch besser ist der grobschlächtige Zampanò des Anthony Quinn im „Lied der Straße“ und im Kontrast dazu die Kindsfrau Gelsomina, von Fellinis Ehefrau Giulietta Masina wie ein Kleiner Prinz am großen weiten Meer gespielt.

 Federico Fellini, "Anita als Priester verkleidet" (1959, Zeichnung zu "La Dolce Vita", Sammlung Jakob und Philipp Keel).

Federico Fellini, "Anita als Priester verkleidet" (1959, Zeichnung zu "La Dolce Vita", Sammlung Jakob und Philipp Keel).

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Höhepunkt in der Filmkarriere des Italieners ist „La Dolce Vita“, der Film über das Nachtleben in Rom und den Wettkampf der spindeldürren Paparazzi mit ihrer Kamera im Anschlag, um die skandalösesten Fotos der Busenschönheit Anita Ekberg zu erwischen. Fellini gibt seinem Sexsymbol auf dem Papier riesige Brüste, umhüllt es mit einer schwarzen Priesterkutte und lässt es mit Marcello Mastroianni in die Kuppel des Petersdoms klettern und im Trevi-Brunnen planschen. Der Busen wird zur Waffe, mit dem Fellini bei der Erstaufführung von 1960 einen Skandal auslöste, der sich zum Kassenschlager wandelte und dem Regisseur in Cannes die Goldene Palme brachte.

Viele Episoden mit Mastroianni als Schürzenjäger, der auch noch im abgeschiedenen Waldhotel auf einen Feministinnen-Kongress stößt, werden trotz der heutigen Me-Too-Bewegung wegen ihrer Übertreibungen, ihrer Persiflagen und Humoresken akzeptiert. Hier entpuppt sich die Ausstellung als Freiraum. Viele Szenen sind aber auch zeitgeschichtlich aktuell, wenn ein Ozeandampfer anno 1914 in See sticht, um die Asche einer Operndiva im Meer zu bestatten, aber dabei auf Boote mit serbischen Flüchtlingen stößt, die nach dem Attentat von Sarajevo nach Italien fliehen. Wer hier dem Untergang geweiht ist, bleibt offen. Die Flüchtlingskinder, die dem Ozeandampfer nachwinken, gehen in einem österreichisch-ungarischen Kriegsschiff einem ungewissen Ende entgegen.

Die Ausstellung wirkt wie ein Libretto, wobei die Besucher die Geschichten zu Ende führen müssen, unterstützt durch kurze Texte und sinnige Filmszenen. Die größte Hilfe bieten die Zeichnungen selbst, denn sie nehmen die Konzeption wie die Realisierung eines Films selbst in der Kinnbacke eines Schauspielers vorweg.

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