Düsseldorf "Mr. Saxobeat" – das Saxophon in der Popmusik

Düsseldorf · Jetzt ist das Saxophon zurück in den Popmusik-Charts, zwei Songs mit markantem Sax-Einsatz stehen in den deutschen Top 10: auf Platz eins der große Sommerhit "Mr. Saxobeat" von der rumänischen Sängerin Alexandra Stan und auf Position sieben Lady Gaga mit "The Edge Of Glory". Man kann das ruhig Comeback nennen, Auferstehung vielleicht sogar, denn das Holzblasinstrument war lange weg vom Fenster, und schuld daran sind die 80er Jahre.

Damals gossen Popstars aus dem Saxophon Zuckerguss über ihre Songs, jeder zweite Hit hatte ein Solo, das irgendwie romantisch wirken sollte, bisweilen auch schlüpfrig. Ein finsteres Kapitel in dieser Zeit war der Brauch, in Musikvideos und Konzerten Musikerinnen in Minirock mit dem Saxophon nach vorne zu schicken. Legendär ist der Satz von Prince: "If I want Sax, i call Candy." Er meinte die Niederländerin Candy Dulfer, die ab und an mit ihm auftrat und 1989 mit Dave Stewart von den Eurythmics einen Nummer-eins-Hit hatte: "Lily Was Here".

Jedenfalls: Im Laufe des Jahrzehnts wurde der Ruf des Saxophons stark beschädigt, es klebt seither ein bisschen, und wer einige der weniger gelungenen Songs aus jener Dekade hört, muss aufstoßen wie nach zu viel billigem Sekt. Zu den schlimmen Beispielen gehören "Careless Whisper" von George Michael, "True" von Spandau Ballet und alles von Supertramp. Schöne Nummern gab es auch, "Smooth Operator" von Sade etwa, "Fortress Around Your Heart" von Sting und – sträflich unterschätzt – "You Belong To The City" von Glenn Frey aus dem Soundtrack von "Miami Vice".

Der Saxophon-Sound als Glamour-Element ist nun ein Klischee, die Verantwortung dafür trägt Gerry Rafferty, denn mit seinem Stück "Baker Street" begann das alles. Erfunden wurde das Instrument übrigens 1840 in Belgien, und zwar von Adolphe Sax. 60 Jahre später gehörte es bereits zum Inventar jeder Big Band; in Jazz, Blues und Swing gab das Saxophon den Ton an, und in den 30er und 40er Jahren war es in der populären Musik so verbreitet wie später die E-Gitarre.

Im Rock wurde das Saxophon von Bruce Springsteens wichtigstem Mann, Clarence Clemons, etabliert. Der vor zwei Monaten gestorbene Clemons spielte auch das Solo für Lady Gagas "The Edge Of Glory" ein. Und damit sind wir beim problematischen Aspekt des Comebacks: Es beschränkt sich aufs augenzwinkernde 80er-Jahre-Zitat. Bei Lady Gaga ebenso wie in "Mr. Saxobeat", wo das Saxophon zur trötenden Karikatur degeneriert. Im Video zu Katy Perrys aktueller Single "Last Friday Night" tritt gar Kenny G auf, um ein paar Takte zu blasen. Der Tenorsaxophonist hat eines der größten Klangverbrechen überhaupt zu verantworten: das Instrumental "Songbird" von 1986. Zur Strafe muss er in Perrys Clip den Onkel der Familie spielen, den niemand ernst nimmt. Das Sax wartet weiter auf Rehabilitierung.

(RP)
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