Mozarts Violinsonaten endlich ernst genommen

Über manche Werke des Genies schweigt die Gemeinde. Sie seien doch harmlos, Gebrauchsmusiken, eher nebenbei komponiert und sozusagen der Kitt im Palast unserer Erinnerung. Bei Wolfgang Amadeus Mozart kommen solche Gedanken automatisch auf, wenn von den Missae breves gesprochen wird, die er für Salzburg komponierte. Auch die Klaviersonaten, meinte jedenfalls der Pianist Glenn Gould, seien keine sonderlichen Meisterwerke. Auch die frühen Sinfonien gelten als Etüden, als Gehversuche in einem neuen Gebiet, in dem er erst später die absolute Vervollkommnung erreichen sollte.

Auch die Violinsonaten werden im Konzert kaum je gespielt. Geiger beschweren sich heimlich, dass sie gar nicht so viel zu tun hätten. Es seien Sonaten für Klavier und Violine, und zwar genau in dieser Reihenfolge der Wertigkeit und nicht andersherum. Häufig muss die Geige unauffällige Begleitfiguren exekutieren, während das Klavier obendrüber seine Melodien spinnt. Anne Sophie Mutter hat diese Sonaten mal aufgenommen, aber durch Aufnahmetechnik und zu großen Ton in ihr Gegenteil verkehrt - und der Pianist verkam zum Pudel.

Die herrliche Neuaufnahme von vier Sonaten (KV 306, 376, 378 und 406) sowie der sechs Variationen über "Hélas, jài perdu mon amant" mit dem Geiger Ulf Schneider und dem Pianisten Stephan Imorde, die beim WDR in Köln entstand, bezaubert durch das kollegiale Einvernehmen zweier hochrangiger Musiker, durch ein tiefes Verständnis von Mozarts Plänen.

Im Booklet berichten beide Künstler, sie hätten diese Musik als Mozarts "Spielwiese" begriffen - und genau das hört man hier auch. Beschwingt. Zauberhaft. Beseelt.

Avi-Service

(w.g.)
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