Neue Dokumentation lädt zur Entdeckungsreise ein Moderne Glasmalerei aus dem Rheinland ist einfach Weltklasse

Düsseldorf · Eine neue Dokumentation lenkt unseren Blick auf eine oftmals nur wenig beachtete Kunst. Dabei finden sich in unseren Kirchen zahlreiche Meisterwerke.

 Arche Noah - über dem Portal von St. Remigius in Düsseldorf. Ein Werk von Wilhelm Schmitz-Steinkrüger.

Arche Noah - über dem Portal von St. Remigius in Düsseldorf. Ein Werk von Wilhelm Schmitz-Steinkrüger.

Foto: Kühlen/Kühlen-Verlag

Es gibt Künste, die werden nur mäßig geachtet oder sogar missachtet. Und es gibt Werke, die werden in ihrer Bedeutung und in ihrer Schöpferkraft erst gar nicht gesehen. Darunter fällt die moderne Glasmalerei, die im Rheinland nicht nur ungemein vielfältig, sondern in der Welt fast einzigartig war. Eine neue, überreich bebilderte Dokumentation der beiden Düsseldorfer Kunsthistoriker Jürgen Wiener und Gerhard Köpf gibt darüber Auskunft.

„Moderne Glasmalerei Düsseldorf“ heißt der großformatige Band, der auch mit Unterstützung der Anton-Betz-Stiftung der Rheinischen Post publiziert wurde. Ein großes, aufregendes Bilderbuch ist es geworden, das ordentlich aufräumt mit dem Etikett einer bestenfalls zweitklassigen Kunst. Was allerdings stimmt: Sie ist nie kunstmarkt­konform gewesen und scheint zudem vor allem heute unter Akzeptanznot zu leiden, da viele Werke im kirchlichen Umfeld entstehen und zu finden sind.

Und genau da fängt die erste Faszination bereits an – bei einer Kunst mit Auftraggebern und dem bis heute gültigen arbeitsteiligen Zusammenwirken von Künstler und Handwerker. In der Glasmalerei feiert das Hochmittelalter seine Wiedergeburt. Und im Rheinland erlebte die Kunst in zwei Schüben eine ganz besondere Blütezeit: Das war zum einen die Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Städte an Rhein und Ruhr wuchsen und vermögend wurden. Die Zahl der Einwohner schoss in die Höhe. Hunderte von neuen Kirchen wurden gebaut und alle mit neuen, modernen Glasmalereien ausgestattet. Dieser Präsenz folgte auch die Anerkennung. An der Kunstakademie fand auch die Glasmalerei Beachtung. Bis 1933 galt die Düsseldorfer Akademie als das wichtigste Zentrum für Glas- und Mosaikmalerei.

Die zweite Blütezeit ist ohne vorheriger Katastrophe nicht denkbar: Im Zweiten Weltkrieg wurden auch zahlreiche Sakralbauten in Schutt und Asche gelegt. In den 1950er-Jahren florierte der Kirchenneubau erneut, auch wenn zunächst das Geld für die kunstvolle Ausgestaltung der Kirche fehlte. Das holte man in den Wirtschaftswunderjahren kräftig nach. Die Jahre zwischen 1960 und 1980 gehören zu den auftragsstärksten der Glasmalerei überhaupt.

Und sie blieb so vielgestaltig und wegweisend, wie es auch die Künstler dieser Zeit waren: Wohin man schaute, überall neue, spannende Schöpfungen. Vereint wurden sie alle durch die Begeisterung für das Material. Denn Glas ist preiswert, lässt sich gut verarbeiten und ist – thermodynamisch gesehen – eigentlich eine gefrorene Flüssigkeit. Sie erfüllt ihren Zweck, wenn sie unsichtbar ist, und wird zu einem Medium, durch das wir unsere Welt sehen.

Info Wiener, Köpf: „Moderne Glasmalerie Düsseldorf“. Kühlen, 378 S., 79 Euro

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