Mithu Sanyal trifft Autorin und Bloggerin Jacinta Nandi im Zakk Mithu Sanyal stellt ihre „Lieblings-Kultautorin“ vor

Flingern · Seit ihrem Debüt „Nichts gegen Blasen" 2015, ist Jacinta Nandi eine starke Stimme feministischer Literatur mit Kultpotenzial. Im Zakk traf die Autorin bei den Düsseldorfer Literaturtagen ihre Kollegin Mithu Sanyal zum Gespräch über alleinerziehende Mütter und gesellschaftliche Vorurteile.

Die Düsseldorfer Autorin Mithu Sanyal.

Die Düsseldorfer Autorin Mithu Sanyal.

Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow/DPA

„Echte Freiheit ist für alleinerziehende Mütter in dieser Gesellschaft nicht vorgesehen“, sagt Jacinta Nandi. Sie weiß, wovon sie spricht und worüber sie in ihrem neuen Buch „50 Ways to leave your Ehemann“ schreibt. Denn sie gehört zu den Frauen, die ihren gewalttätigen Ehemann verlassen haben, um sich ein neues, ein anderes Leben aufzubauen.

Bei den Düsseldorfer Literaturtagen traf Autorin Mithu Sanyal die Kollegin im Zakk-Café. Es war wie bei einem Mädelsabend. Die beiden plauderten munter drauflos, tauschten sich über die TV-Serie „Bridgeton“ aus, die in Nandis neuem Buch „50 Ways to leave your Ehemann“ ebenso eine Rolle spielt wie Amber Hurt. Die US-Schauspielerin hatte ihren Mann Johnny Depp nach 18 Monaten von Gewalt bestimmter Ehe verlassen. „Alle fragten, wieso ist sie nicht gleich gegangen, warum hat sie so lange gewartet“, fasste Jacinta Nandi zusammen, was in solchen Fällen häufig von nicht unmittelbar Betroffenen gesagt wird. „Du kannst nicht einfach sofort gehen, vor allem nicht, wenn du Kinder hast“, stellte die Autorin klar.

Sie selbst, gerade 24 Jahre alt, wurde vom Vater ihres ersten Kindes geschlagen. Anders als viele Frauen in ähnlichen Situationen fand Jacinta in ihrer Mutter eine Verbündete. „Sie suchte mit mir zusammen ein Frauenhaus in Berlin und zog dort für eine Woche mit ein, ich blieb sechs Monate“, erzählte die Autorin und erinnerte sich: „Die Zeit dort war für mich ein Schlüsselerlebnis“. Denn sie fand heraus, dass Unterstützung durch die Eltern eher die Ausnahme denn die Regel für die Frauen ist. „Sobald Kinder im Spiel sind, heißt es, geh zurück zu ihm, ganz gleich, ob der Mann sie weiter verprügeln wird. Lieber das, als arm und allein zu sein.“

Ihr Buch ist eine Streitschrift, die den Finger in eine offene Wunde legt. Vom Rechtfertigungsdruck, über die im Vergleich zu Männern hohe Erwartungshaltung an alleinerziehende Mütter, bis zu unsolidarischen verheirateten Frauen, bezieht Nandi Stellung. So ernst das Thema ist, das die erfolgreiche Bloggerin verhandelt, so humorig bereitete sie die Ereignisse aus ihrem Leben als alleinerziehende zweifache Mutter auf. Immer wieder unterbrach Nandi das Gespräch mit Mithu Sanyal oder auch Passagen, die sie vorlas, um kleine Anekdoten zu erzählen:Etwa. wie unnütz gutgemeinte Ratschläge sein können. „Ratschläge, da steckt der Schlag ins Gesicht schon im Wort“, befand die Autorin. Oder dass ihr Verlag den deutsch-englischen Buchtitel anfangs überhaupt nicht gut fand. „Ich wollte sowas wie Stolz und Vorurteil mit Glitter schreiben“, verriet die 43-jährige Britin und merkte an, dass „es lange keine guten Bücher für und über alleinerziehende Mütter gab“.

Mithu Sanyal stimmte der Kollegin zu und resümierte mit Blick auf Nandis Erfahrungen: „Einen Mann zu verlassen, muss nicht nur etwas Schreckliches sein, es kann doch auch der Beginn von etwas Neuem, Größerem, Schönerem sein“. Dafür bedarf es allerdings der Unterstützung von Freund:innen und der Familie.
Die beiden Frauen waren sich einig, dass die Gesellschaft Müttern mit einer Erwartungshaltung begegnet, die sie enorm unter Druck setzt. „Es wird erwartet, dass dein Kind zum Sport geht, ein Instrument lernt, es soll regelmäßig mit dir zusammen essen und spätestens um 19 Uhr im Bett sein“, zählte Jacinta Nandi auf und gab zu, dass „mein Tag nicht genug Stunden hat, um diesen Anforderungen nur annähernd gerecht werden zu können“. Schließlich müsse zwischendurch noch eingekauft, gekocht und aufgeräumt werden. „Ach ja und arbeiten muss man ja auch noch“, schob Nandi hinterher.

Für viele der Besucherinnen sprach sie an diesem Abend das aus, was längst einmal gesagt werden musste. In den Passagen, die Jacinta Nandi vorlas, erzählte sie auch davon, wie sie von knapp 1000 Euro leben musste, während ihr arbeitsloser Ex-Partner den „Freizeit-Papa“ gab, dem es egal war, ob sein Nachwuchs mit zerrissenen und schmutzigen Klamotten wieder zurück zur Mama kam. Mithu Sanyals Begeisterung für die Kollegin, die sie ihre „Lieblings-Kultautorin“ nannte, die „das schreibt, was ich mich noch nicht einmal zu denken traue“, sprang auf die Zuhörerinnen im Zakk-Café über.

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