Düsseldorf Mit Goldoni in die Sommerfrische

Düsseldorf · Es muss geprasst werden in der Sommerfrische, Prassen bringt Prestige. Nur nicht von den Nachbarn lumpen lassen. Also fläzt sich der junge Filippo mit dem Gelhaar aufs Sofa und gibt Bestellungen auf. Sein Kammerdiener soll vor der Abreise noch mal ausgiebig shoppen: Feinkost, Deko und für die Schwester das Must-have-Kleidchen der Saison. Koste es, was es wolle. Pleite ist man sowieso.

Den Verschwendungswillen und die Prahlsucht der Oberschicht seiner Zeit prangerte Carlo Goldoni 1761 in seiner "Trilogie der schönen Ferienzeit" an. Ein junger Bürger aus Livorno will die Sommermonate mit seiner Schwester auf dem Land verbringen. Wegen ihres feudalen Lebensstils haben die beiden Schulden angehäuft, darum hilft nur noch eins: heiraten. Doch muss Filippo dazu erst noch mehr Schulden machen und auf dem Land möglichst wohlhabend tun. So lässt sich vielleicht die Tochter des Nachbarn gewinnen, deren Mitgift das marode Geschwisterpaar sanieren könnte.

In Goldonis Gesellschaft gilt jeder nur so viel, wie er ausgeben kann. Also verschleudern seine Figuren leichtfertig ihr Geld, um sich Accessoires für den schönen Schein zu kaufen. Jede Lebensregung ist zu prüfen auf ihren Wert als Statussymbol, auch Liebe ist eine Frage des Ansehens. Sparsamkeit ist da natürlich Gift. Goldonis Figuren überbieten sich in der Sommerfrische, bis die Blase platzt.

Gier, Leichtfertigkeit, Statusgehabe – vieles, was gerade noch als Antrieb der Wirtschaftskrise ausgemacht wurde, begegnet dem Zuschauer bei Goldoni wieder. Doch in seiner Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus sucht Wolfgang Engel keine direkten Bezüge in die Gegenwart, sondern verlegt sich auf den schrillen Stilmix. Jede Figur ist auf eigene Weise geschmacklos. Michele Cuciuffo etwa gibt den Filippo als schmierigen Möchtegern-Mafioso, Janina Sachau dessen Luxusschwesterchen im Gold-Klimbim-Look und Katrin Röver seine Braut in spe als höhere Tochter mit Leidenschaftsanwandlungen. Übertroffen werden sie alle nur noch von Marianne Hoika, die mit Ledermieder und Strasspumps auf die Bühne stöckelt, um die lüsterne Alte zu geben. Das hat boulevardeske Drastik, und es macht Spaß, den Schauspielern beim Karikieren zuzusehen.

Allerdings nur eine Zeit lang. Bei Engel zieht sich jedoch schon die Abreise der Amüsierwütigen unnötig in die Länge, und als die Gesellschaft erst auf dem Lande angekommen ist, gibt es zu viel Langeweile im Liegestuhl und Stagnation am Spieltisch. Straffung hätte den Szenen gutgetan, auch ist der Stoff so gewichtig nicht, dass man Zuschauer dafür mehr als vier Stunden im Theater halten müsste.

Engel, der bis 2008 Intendant des Leipziger Schauspiels war und zuletzt in Düsseldorf einen grandiosen Abend mit Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" inszenierte, fehlt für diese Arbeit der Biss, die Bösartigkeit. Zu brav bewegen sich die Figuren durch eine sorgsam zugestellte Multi-Möbel-Welt, in der nichts zueinanderpasst, weil Prestige eben keine Frage des Geschmacks ist. So wirken die Darsteller am Ende auch einigermaßen erschöpft, wenn sie sich nach der Landpartie auf der Drehbühne wieder im Salon einfinden und vom Sofa aus den endgültigen Bankrott ihrer hohlen Träume eingestehen. Dieser Goldoni hat der Gegenwart durchaus noch etwas zu sagen, aber er könnte es pointierter tun.

(RP)
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