Nachruf auf die Autorin Birgit Vanderbeke Die große Verdichterin

München · Mit 65 Jahren ist die Schriftstellerin Birgit Vanderbeke gestorben. Mit der Erzählung „Das Muschelessen“ begann 1990 ihr Karriere.

 Mit 65 gestorben: die Schriftstellerin Birgit Vander­beke.

Mit 65 gestorben: die Schriftstellerin Birgit Vander­beke.

Foto: picture alliance / Fotograf\ Volker Danzer / Agentu/Volker Danzer

Birgit Vanderbekes Werke haben sich im Regal leicht erkennbar von den Büchern ihrer Kolleginnen und Kollegen abgehoben. Ihre Werke waren stets die schmalsten und manche nicht einmal 100 Seiten stark. Die Beobachtung mag nach einem banalen Markenzeichen klingen, aber sie liefert einen Hinweis auf die Sprache der großen Erzählerin: Birgit Vanderbeke hat stets verdichtet geschrieben, schnell den Kern treffend, schnörkellos und in ihren besten Passagen auch poetisch. Am 24. Dezember ist Birgit Vanderbeke überraschend gestorben, wie der Piper-Verlag jetzt mitteilte. Lediglich 65 Jahren alt wurde die in Brandenburg geborene und seit vielen Jahren in Südfrankreich wohnende Autorin.

Mag sein, dass Vanderbeke wegen des ferneren Wohnorts nicht permanent in der deutschen Öffentlichkeit präsent war. Ihre neuen Bücher aber sorgten regelmäßig dann für eine umso größere Aufmerksamkeit. Alles begann – typisch für sie – mit einer Erzählung: „Das Muschelessen“ von 1990 brachte ihr den Ingeborg-Bachmann-Preis ein und war zugleich ihre Eintrittskarte in die Welt der deutschen Erste-Liga-Autoren. In „Muschelessen“ geht es um bürgerliche Ehe- und Familienrituale, um die Besonderheit des Muschelessens, um die Mutter, die zunehmend mühevoll ihr Feierabendgesicht auflegt, wenn der Vater von der Arbeit kommt. Das eigentliche Ereignis der mit schwarzem Humor gewürzten wie vergifteten Erzählung aber ist die Sprache - eine bedrohliche Suada, die diesem Drama eine finstere Kulisse aus Wörtern baut.

Neben „Alberta empfängt einen Liebhaber“ sind es vor allem die autobiografischen Romane, die Vanderbeke zu einer Ausnahmeautorin machten. Darin beschreibt sie auch die Erfahrung der Flucht ihrer Familie in der Westen, die sie als kleines Kind erlebte und die in ihr eine Entdeckung groß werden ließ: wie Sprache Einsamkeit klein und das eigene Leben groß werden lässt. „Ich freue mich, dass ich geboren bin“ heißt der Roman. Ein wundersames Buch. Und nur eins von vielen.

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