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Florenz/Bonn Michelangelos "David" ist in Gefahr

Florenz/Bonn · Der berühmten Marmorskulptur in Florenz droht das Gewicht zum Verhängnis zu werden.

Als Freiheitsheld hat Michelangelos David Gewicht. Doch genau das droht ihm zum Verhängnis zu werden. Schon von jeher hat der Marmorkoloss von Florenz Probleme mit den Füßen: feine Haarrisse, die letztlich zum Einsturz führen könnten. Kürzlich verzeichnete die Region Chianti mehrere Hundert winziger Erdstöße. Nichts Schlimmes, aber doch Nadelstiche für den Florentiner Giganten. Ein neuer Sockel soll nun Abhilfe schaffen.

Ein siegreicher Held, der für eine gerechte Sache kämpft - genau das hatte der Bürgerschaft von Florenz vorgeschwebt. Nach der Vertreibung der Medici 1494 und der Verbrennung des Bußpredigers Girolamo Savonarola 1498 suchte die reiche, aber ziemlich verunsicherte junge Republik in Zeiten äußerer Bedrängnis nach einem neuen Selbstverständnis. 1501 beauftragte die einflussreiche Wollgilde den erst 26-jährigen Michelangelo Buonarotti mit einem Kunstwerk, das buchstäblich eines der größten der Hochrenaissance werden sollte: jener Kolossalstatue des biblischen David, die am 8. September 1504 feierlich enthüllt wurde.

Michelangelo (1475-1564) hatte sich seine ersten Sporen im Ausland, in Rom, verdient. In Florenz zählte er noch keineswegs zur ersten Garde. Und der fünf Meter große Block aus Carrara-Marmor, um den er sich bewarb, lag bereits seit einem halben Jahrhundert verschmäht im Lager der Dombauhütte. Der Donatello-Schüler Agostino di Duccio hatte sich 1464 daran versucht und war ebenso gescheitert wie 1476 ein weiterer Künstler. Der Stein galt als "verhauen", was seine Gestaltungsmöglichkeiten noch weiter einschränkte.

Ausgerechnet daraus wünschten sich die Florentiner nun also einen David; einen, der den vermeintlich überlegenen Goliath mit den Mitteln des Verstandes besiegte. Geistige Überlegenheit statt dumpfer Waffengewalt, so wollte sich die Bürgerschaft in ihrem Kampf gegen die Medici verewigt sehen. Und Michelangelo, der behauptete, jede Statue sei bereits im Stein angelegt und müsse nur gleichsam freigelegt werden, schuf, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, ein Meisterwerk: 4,34 Meter groß und 5,6 Tonnen schwer. Davids Heldentat steht erst unmittelbar bevor. Gerade hebt er, den Blick unaufgeregt auf den Gegner gerichtet, mit seiner Linken die Schleuder von der Schulter, um den einen, tödlichen Schuss zu setzen.

Von der Menge begeistert gefeiert und auf der Piazza della Signoria unmittelbar vor dem Palazzo Vecchio aufgestellt, dem politischen Zentrum von Florenz, trug der so symbolisch befrachtete "Gigant" im Lauf der Jahrhunderte manche Wunde davon. So brach 1527 während der neuerlichen Vertreibung der Medici bei Tumulten durch einen herumfliegenden Stuhl der linke Arm ab und musste wieder angesetzt werden.

Im Zuge der Staatsgründung Italiens wanderte das Florentiner Freiheitssymbol 1873 buchstäblich ins Museum der Geschichte. Von Taubenkot und Ruß verschmutzt und als nicht mehr zeitgemäß empfunden, kam er in die Galleria dell'Accademia. Im Freien steht seit Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch eine detailgetreue Kopie.

Im Jahrhundert der Nationalstaaten rückte man dem Original mit ätzender Chlorsäure zu Leibe und goss die entstandenen Risse mit heißem Wachs aus. Viel besser ging es dem Republikaner mit einer gründlichen, aber diesmal schonenderen Restaurierung mit destilliertem Wasser zu Beginn des neuen Jahrtausends. Die feuchten Wickel brachten ein weiß glänzendes Ergebnis. Das gravierende statische Problem ist freilich noch immer nicht gelöst: Der Held ist zu schwer für seine schlanken Fesseln. Feine Haarrisse im Marmor lassen Experten in immer neuen Gutachten befürchten, dass die erste überlebensgroße männliche Aktfigur der Neuzeit auf Dauer ihr eigenes Gewicht nicht werde tragen können.

Italiens Kulturminister Dario Franchescini hat schon vor der Erdbebenserie einen rund 200 000 Euro teuren neuen Sockel in Aussicht gestellt. Der soll künftige Erdstöße abfangen. Niemand soll sagen können, die Freiheit stehe in Italien auf zu schwachen Füßen. Ein Einsturz des David wäre ein Verlust für die gesamte Menschheit.

(KNA)
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