Medizin-Nobelpreis Medizin-Nobelpreis an drei Krebsforscher

Stockholm · Die Wissenschaftler haben den Sensor entschlüsselt, mit dem die Natur den Sauerstoffgehalt im Gewebe messen kann.

 Das Nobelkomitee mit den Mitgliedern Patrik Ernfors (vorne v.l.), Anna Wedell und Randall Johnson geben die Gewinner des Nobelpreises für Medizin bekannt: Gregg Semenza (hinten v.l.), Peter Ratcliffe und William Kaelin.

Das Nobelkomitee mit den Mitgliedern Patrik Ernfors (vorne v.l.), Anna Wedell und Randall Johnson geben die Gewinner des Nobelpreises für Medizin bekannt: Gregg Semenza (hinten v.l.), Peter Ratcliffe und William Kaelin.

Foto: dpa/Zheng Huansong

Die Natur hat im Rahmen der Evolution für Mensch und Tier einige Überlebensmechanismen entwickelt, die in kritischen Situationen greifen. Die drei Wissenschaftler, die in diesem Jahr den Medizin-Nobelpreis bekommen, haben eine dieser Notfallreaktionen aufgeklärt. Sie entdeckten gemeinsam, wie die Zellen des Körpers auf einen Mangel an Sauerstoff reagieren. Die beiden US-Amerikaner Gregg Semenza (Johns Hopkins University in Baltimore) und William Kaelin (Dana-Farber-Krebsforschungsinstitut der Universität Harvard) sowie der Brite Peter Ratcliffe aus Oxford haben den Sensor entschlüsselt, mit dem die Natur den Sauerstoffgehalt im Gewebe messen kann. Ein Erfolg für die Grundlagenforschung. „Ohne eine ausreichende Sauerstoffzufuhr können Zellen ihre Aufgaben nicht erfüllen“, heißt es in der Laudatio des Stockholmer Nobelkomitees. Sauerstoff ist notwendig, damit die Energie der Zuckermoleküle in der Zelle verfügbar wird. Für Experten kommt die Wahl des Trios nicht überraschend. Die drei haben für ihre Ergebnisse, die zwischen 1991 und 2001 veröffentlicht wurden, bereits viele hochrangige Auszeichnungen erhalten. Peter Ratcliffe wurde 2014 sogar von der britischen Königin geadelt.

Der Sauerstoffbedarf unserer Zellen ist ganz unterschiedlich. Bei körperlicher Aktivität in großer Höhe müssen alle Zellen gleichermaßen auf den geringen Sauerstoffgehalt der Luft reagieren. Manchmal wird die Antwort des Körpers aber auch nur in einzelnen Regionen ausgelöst. Beispielsweise wenn sich Muskelzellen beim Sport bewegen oder wenn einzelne Zellen durch eine Verletzung oder Durchblutungsstörungen vom Blutkreislauf abgeschnitten sind. Eine von vielen Reaktionen des Körpers ist beispielsweise die vermehrte Bildung von Epo. Dieses Hormon ist als Dopingmittel bekannt, weil es die Produktion der sauerstofftransportierenden roten Blutkörperchen anregt. Eine andere Reaktion liegt in der Bildung von Blutgefäßen, die Verletzungen heilen lässt. Der Aufnahme von Eisen wird so reguliert. Aber auch Krebstumoren nutzen diesen Weg und tricksen die Körperreaktion aus, damit sie schneller wachsen können.

Wie so oft, liegt der Schlüssel zu diesem Mechanismus in den Genen. Schon in den 1980er Jahren war bekannt, dass die Produktion von Epo steigt, wenn der Mensch in große Höhen steigt. Gregg Semenza identifizierte erst den Abschnitt eines Gens, das damit im Zusammenhang steht und entdeckte dann einen Proteinkomplex, der das Gen aktiviert: HIF-1alpha. Ratcliffe und Kaelin erklärten, warum HIF als Sensor für Sauerstoff wirkt. Sie entdeckten, dass der Protein-Komplex in allen Zellen natürlich vorkommt und mit welchem Mechanismus er abgebaut wird. Damit war klar: Je mehr Sauerstoff in einer Zelle vorhanden ist, desto schneller verschwindet HIF-1alpha. Ohne HIF werden weder das Epo-Gen noch die vielen anderen Gene aktiviert, die auf den Sauerstoffmangel antworten. HIF-1alpha ist quasi das Steuerungselement für die Reaktion des Körpers, es regt mehr als 300 Gene mit ganz verschiedenen Aufgaben an, die dadurch alle das gleiche Ziel verfolgen: den Körper gegen Sauerstoffmangel zu schützen. Das Nobelkomitee erwartet deshalb, dass die Entdeckungen von Semenza, Ratcliffe und Kaelin den Weg zu neuen Therapien für viele Krankheiten öffnen werden.

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