Dass Martin Walser ein neues Buch geschrieben hat, war lange Zeit so spektakulär wie die Nachricht, dass morgens die Sonne auf- und abends wieder untergeht. Weil seit einigen Dekaden jährliche Neuerscheinungen aus seiner Überlinger Schreibstube (mit unglaublichem Blick auf den Bodensee) zum Ritual deutscher Gegenwartsliteratur wurden. So sind mittlerweile fast 70 literarische Bücher zusammengekommen, nicht mitgezählt die zahlreichen Theaterstücke, Hörspiele, Sammelausgaben. Das alles hört sich nach stupendem Fleiß an; doch bei Walser ist der Antrieb ein anderer. Für ihn gilt wie für Scheherazade, die große Erzählerin aus Tausendundeiner Nacht: Solange wir erzählen, leben wir. Und so fabuliert sich Walser durch seine Existenz – bis zum heutigen Tag, der sein 95. Geburtstag ist.