Premiere „Geld ist Klasse“ in Düsseldorf Die Überreichen reden nicht
Düsseldorf · Bekannt ist die Nachfahrin des BASF-Gründers Marlene Engelhorn, weil sie 25 Millionen ihres Erbes für gemeinnützige Zwecke verschenkte. Im Düsseldorfer Forum Freies Theater spielte sie jetzt in dem Stück „Geld ist Klasse“.
Zwei Barhocker stehen auf der Bühne zu einem zahlenlastigen Diskurs bereit, später kommt noch einer hinzu. Der Regisseur Volker Lösch, der sich hier selbst in Szene setzt, und die Großerbin Marlene Engelhorn weihen das Publikum im vollbesetzten Düsseldorfer FFT zunächst in ihre Kindheit ein. Lösch stammt aus armen Verhältnissen und bereitete später Armut zum Thema für die Bühne auf.
Nach langer vergeblicher Suche nach jemandem, der als von Geburt an Reicher im Theater authentisch über Reichtum spricht, gelang es ihm, Marlene Engelhorn zu verpflichten. Sie kennt die Welt des oberen Prozents der Bevölkerung, das als „überreich“ gilt, und redet darüber öffentlich. Das ist ungewöhnlich, und wie sie zugibt, werde selbst in überreichen Familien nicht über Geld geredet. Man besitzt es halt.
Um so mehr brachen Lösch und Engelhorn das Tabu in der Premiere von „Geld ist Klasse“. Lösch wusste aus seinem Spezialgebiet zu berichten, die acht reichsten Menschen der Welt besäßen so viel Geld wie die Hälfte der Menschheit. Marlene Engelhorn rechnete auf ihre Weise: Mit einem ellenlangen Zentimeterband in den Händen kleidete sie ihre Kindheit zunächst in ein Märchen und veranschaulichte mittels Band die enormen Unterschiede zwischen Arm und Reich. „In jeder Ritze des Lebens steckt das elitäre Gehabe“, so urteilt sie über ihresgleichen, dem sie selbst nach ihrer Schenkung nicht zu entkommen scheint.
Da derlei Selbstauskünfte wenig Bewegung auf die Bühne bringen, müssen andere Mittel her. Immer wieder setzt die Stroboskop-Maschinerie der Bühne ihre Gewitter in Gang – und Marlene Engelhorn erweist sich in Mimik, Gestik und Sprechweise als begabte Schauspielerin, jedenfalls auf der Kurzstrecke. Bald kommt ihr die Schauspielerin Marlene Reiter als zweites Ich zur Hilfe, lässt die eigentliche Marlene ein wenig verschnaufen und nimmt in nahezu gleichem Outfit – weiße Bluse, hellgraue Hose, knallgelbe Socken – auf dem dritten Barhocker Platz. Von dort gibt sie zum Besten, wie sie mit 18 Jahren die erste Kreditkarte von ihren Eltern geschenkt bekam.
Lösch schlüpft unterdessen in die Rolle des Finanzberaters des überreichen Familienclans. Der Ton zwischen Lösch und Reiter alias Marlene wird nun härter. Da kommt auf einmal die Bundesrepublik Deutschland hereingeschneit – in weißem Gewand mit rotem Umhang. Es ist wiederum Marlene Reiter. Sie, die Bundesrepublik, ist arm und erbittet von Lösch eine Überweisung.
Als dann die originale Marlene wieder die Bühne betritt, geht es erneut um Zahlen und eine ausgedehnte Unternehmer-Schelte. Alle großen Konzerne, so behauptet Marlene, seien nicht sauber zustande gekommen. Sie lebten von Ausbeutung, Zinsen, Steuererleichterungen und von Vermögen, die sie einst in Kolonien erwirtschaftet hätten. Wer derlei Vorwürfe erhebt, werde mit der Antwort „Neiddebatte“ niedergemacht.
Jetzt stürmt Susanne Klatten aus dem Zuschauersaal auf die Bühne, BMW-Erbin und im Jahr 2023 mit einem geschätzten Vermögen von 25,9 Milliarden US-Dollar angeblich die siebtreichste Frau der Welt. Marlene Reiter tritt nun im blauen Business-Look auf, rennt auf der Bühne beim Sprechen ständig hin und her und liefert sich ein Wortgefecht mit Bundesfinanzminister Christian Lindner, den Lösch vorübergehend verkörpert. Lindner zerschneidet einen van Gogh, offenbar die „Sternennacht“, und will damit die freie Verfügungsgewalt demonstrieren, die ihm als Privatmann zustehe, unabhängig von gemeinwohlorientierten Überlegungen.
Gegen Schluss der knapp zweistündigen Aufführung wird es ernst. Marlene (das Original) beklagt, auch mit Blick auf ihre eigene Herkunft: „Wir können nicht Demokratie. Wir wollen zwar, aber leben sie nicht.“ Lösch behauptet sogar: „Die Überreichen streben die Weltherrschaft an.“ Alles werde privatisiert, selbst die DNA.
Von verschiedenen Seiten prasselten schließlich Forderungen auf Politik und Gesellschaft nieder. Die Vermögensteuer solle wieder eingeführt, das Erben abgeschafft werden, stattdessen sollten alle jungen Leute ein Startkapital bekommen. Privatjets und Superyachten sollten verboten werden. Volker Lösch rief in den Saal: „Werden Sie radikal politisch!“. Und: „Der Kapitalismus ist nur noch für wenige gut.“ Marlene Engelhorn forderte die Reichen, so denn welche anwesend waren, dazu auf, ihren Reichtum rückzuverteilen. Gemessen am Applaus, schien das Publikum politisch mit allem einverstanden zu sein. Der Beifall wird ebenso dem Niveau der schauspielerischen Leistungen gegolten haben.
Der Kapitalismus hat in seinen Auswüchsen zweifellos Kritik verdient. Ob allerdings die allenthalben aufstrebenden Diktaturen die Probleme der Gegenwart besser lösen und ob sie weniger Dreck am Stecken ihrer Vergangenheit haben, ist eine andere Frage. Volker Lösch brachte übrigens die Ironie auf, eine Überschrift aus der „Frankfurter Allgemeinen“ zu zitieren, die sich auf ihn bezog: „Der Sozialarbeiter des Theaters“.