Analyse Streitfall Maria

Düsseldorf · In der Debatte um Frauenordination und Pflichtzölibat ist Maria – die Mutter Jesu – zu einer Symbolfigur geworden, auf die sich sowohl Reformer von Maria 2.0 als auch Traditionalisten von Maria 1.0 berufen.

Dass man über Maria einmal streiten würde, war bis vor Kurzem in der Kirche unvorstellbar. Wobei die Heilige Maria, die Mutter Jesu, selbstredend unstrittig ist. Keineswegs aber das, was mit ihr überliefert wird, und wofür sie in der Kirche des 21. Jahrhunderts stehen soll. Die heilige Mutter Gottes ist in der katholischen Kirche hierzulande zur Symbolfigur sowohl für den Aufbruch als auch für die Bewahrung geworden. Sie ist zwischen die Fronten von Reformern und Traditionalisten geraten. Eine arg martialische Wortwahl, fürwahr. Doch findet sich in manchen Äußerungen dazu mittlerweile auch eine gute Portion Aggressivität.

Reformdebatten gibt es in der Kirche seit Jahren schon. Doch erst mit der in Münster geborenen und schnell bundesweit agierenden Fraueninitiative „Maria 2.0“ ist diese personifiziert worden. Die immer wieder gestellten Forderungen nach dem Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche, nach Aufhebung des Pflichtzölibats sowie nach umfassender Aufklärung von sexuellem Missbrauch bekam plötzlich ein Gesicht.

Und das provozierte und radikalisierte die Debatte über den Inhalt der Forderungen hinaus. Es ließ nicht lange auf sich warten, da gründete sich im oberbayerischen Schongau eine Gegenbewegung – „Maria 1.0“. Maria brauche kein Update, sagen sie. „Vor allem wollen wir sie nicht instrumentalisieren, um eigene Interessen durchzusetzen. Wir sind katholische Frauen, die unsere Mutter Gottes verehren und sie als Vorbild sehen“, heißt es.

Sie berufen sich auf Papst Johannes Paul II. Der hatte vor genau 25 Jahren mit dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ einen Schlussstrich zum Thema Frauenordination gezogen. „Die Kirche“, so heißt es darin, „hat keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden“, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten hätten.“ Der Veröffentlichungstermin zu Pfingsten war mit Bedacht gewählt. So gilt das Hochfest als der Geburtstag der Kirche: Am 50. Tag nach Ostern empfingen die Jünger den Heiligen Geist und wurden befähigt, andere Sprachen zu sprechen und zu predigen.

Doch trotz der päpstlichen Verfügung zu Pfingsten war man sich bereits damals nicht ganz sicher, welche Durchsetzungskraft das Papstschreiben denn haben würde. Ein gutes Jahr später bekräftigte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, dass es „eine endgültig zu haltende Lehre“ sei, dass die Kirche ohne Vollmacht sei, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Auch über die sogenannte Letztverbindlichkeit wird jetzt gesprochen. So gibt der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier immerhin zu bedenken, dass der Papst seinerzeit von der Einmütigkeit der Bischöfe ausgegangen ist. Die aber sei jetzt längst nicht mehr gegeben.

Die Diskussionen und Demonstrationen um die Positionen von Maria 1.0 und Maria 2.0 haben nämlich auch gezeigt, wie gespalten die Meinungen hierzu innerhalb des deutschen Episkopats sind. Während die Protestaktionen der Reformerinnen unter anderem bei den Bischöfen Franz-Josef Bode (Osnabrück), Ulrich Neymeyr (Erfurt), Heiner Wilmer (Hildesheim) und Franz-Josef Overbeck (Essen) Zustimmung oder Sympathie fanden, stießen sie bei etlichen anderen zum Teil auf schroffe Ablehnung. Wie etwa beim Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, der – an die Adresse der Kritiker gerichtet – verlauten ließ, es stünde jedem frei, „das Schiff der römisch-katholischen Kirche zu verlassen“. Die Diskussion auch theologisch zu führen, halten viele für unumgänglich. Aber fast alle fürchten auch, dass es eine Zerreißprobe werden könnte.

Befeuert wird die Debatte nicht nur von Fraueninitiativen. Johannes Eckert, er ist Abt der Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs, stellt in seinem neuen Buch „Steh auf!“ die Frage, wie Jesus in dieser Frage reagieren würde. „Werden wir uns vor ihm verantworten können, dass Frauen im Haus der Kirche nur eingeschränkt dienen dürfen, und gleichen wir Männer nicht manchmal den Jüngern, die nicht viel von der Nachfolge begriffen haben?“

Abt Johannes Eckert meint damit die ungläubige Reaktion auf die Botschaft Maria von Magdalas, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Diese Maria war Glaubenszeugin und wurde deshalb „Apostelin der Apostel“ genannt. Ohnehin herrscht in der Bibelwissenschaft seit Längerem die Überzeugung, dass es sich bei der Wahl der Apostel keineswegs um eine Frage des Geschlechts handele. Vielmehr sollen die Berufenen die zwölf Stämme Israels symbolisieren und bedeuten, dass die Sendung Jesu ans ganze Volk Israel gerichtet ist.

Frauen sind Jesus gefolgt, Frauen sind es, denen Jesus Nähe geschenkt hat. Auch darum fragt Eckert: „Würde nicht die Kirche im Blick auf ihre Ursprünge durch geweihte Frauen an Authentizität gewinnen?“ Wie stark sind früher schon die Impulse gewesen, die Frauen der Kirche gegeben haben? Hildegard von Bingen, Teresa von Àvila, Katharina von Siena. Mit Blick auch auf diese Glaubenstradition fragt sich der Benediktiner, was es wohl bedeuten würde, wenn auch bewährte Frauen einen Papst wählen dürften? „Welche Kriterien würden sie an den Petrusdienst anlegen, die wir Männer vielleicht gar nicht in den Blick nehmen?“

Derzeit nehmen viele Maria in den Blick, die auch zu jenen Frauen gehörte, die furchtlos unter dem Kreuz und Jesu zur Seite standen, während die Jünger längst geflohen waren. Und zu Pfingsten, am „Geburtstag“ der Kirche? In Erwartung des Heiligen Geistes waren die Jünger zusammengekommen, wie es in der Apostelgeschichte heißt – und: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu.“

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